nicht, daß sie mit der Ursache, die wir bey dem siebenten Verse finden, einerley sey. Sie ist diese: die Blösse deiner Stief- mutter ist deines Vaters Blösse, das ist, sie gehöret deinem Vater zu. Ehe ich mei- ne Gedanken eröffne, was für eine Ursache des Verbothes ich hierinne zu finden ver- meyne, so muß noch weitläuftiger anzeigen, wie vielerley man durch eine solche Art zu reden anzuzeigen pfleget. Man drücket dadurch, wie schon angezeiget worden, ganz kurz das Verhältniß aus, in welchem man mit jemanden stehet, und die Pflich- ten, so daraus fliessen. Dieses geschiehet zum Exempel, wenn ich sage: Verlaß dei- ne Mutter nicht in ihrem Alter, sie ist dei- ne Mutter. Man bezeichnet mit dieser Art zu reden, auch den innern Character eines andern. Nach dem schlechten Zu- trauen, so die Römer zu der Treue und Glauben der Griechen hatten, hätte ein Römer zu dem andern sagen können: traue keinen Griechen, sie sind Griechen, das ist, sie sind schlau und betrüglich. Man höret nicht selten unter uns, daß einer den andern auf diese Art gegen eine gewisse Nation warnet, die unter uns wohnet. Man zeiget ferner mit dieser Art zu reden an, daß etwas jemanden werde unange- nehm seyn. Wenn ich sage: schilt deiner Großmutter Magd nicht, sie ist die Magd deiner Großmutter; so zeige ich damit an,
es
nicht, daß ſie mit der Urſache, die wir bey dem ſiebenten Verſe finden, einerley ſey. Sie iſt dieſe: die Bloͤſſe deiner Stief- mutter iſt deines Vaters Bloͤſſe, das iſt, ſie gehoͤret deinem Vater zu. Ehe ich mei- ne Gedanken eroͤffne, was fuͤr eine Urſache des Verbothes ich hierinne zu finden ver- meyne, ſo muß noch weitlaͤuftiger anzeigen, wie vielerley man durch eine ſolche Art zu reden anzuzeigen pfleget. Man druͤcket dadurch, wie ſchon angezeiget worden, ganz kurz das Verhaͤltniß aus, in welchem man mit jemanden ſtehet, und die Pflich- ten, ſo daraus flieſſen. Dieſes geſchiehet zum Exempel, wenn ich ſage: Verlaß dei- ne Mutter nicht in ihrem Alter, ſie iſt dei- ne Mutter. Man bezeichnet mit dieſer Art zu reden, auch den innern Character eines andern. Nach dem ſchlechten Zu- trauen, ſo die Roͤmer zu der Treue und Glauben der Griechen hatten, haͤtte ein Roͤmer zu dem andern ſagen koͤnnen: traue keinen Griechen, ſie ſind Griechen, das iſt, ſie ſind ſchlau und betruͤglich. Man hoͤret nicht ſelten unter uns, daß einer den andern auf dieſe Art gegen eine gewiſſe Nation warnet, die unter uns wohnet. Man zeiget ferner mit dieſer Art zu reden an, daß etwas jemanden werde unange- nehm ſeyn. Wenn ich ſage: ſchilt deiner Großmutter Magd nicht, ſie iſt die Magd deiner Großmutter; ſo zeige ich damit an,
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nicht, daß ſie mit der Urſache, die wir bey
dem ſiebenten Verſe finden, einerley ſey.
Sie iſt dieſe: die Bloͤſſe deiner Stief-
mutter iſt deines Vaters Bloͤſſe, das iſt,
ſie gehoͤret deinem Vater zu. Ehe ich mei-
ne Gedanken eroͤffne, was fuͤr eine Urſache
des Verbothes ich hierinne zu finden ver-
meyne, ſo muß noch weitlaͤuftiger anzeigen,
wie vielerley man durch eine ſolche Art zu
reden anzuzeigen pfleget. Man druͤcket
dadurch, wie ſchon angezeiget worden,
ganz kurz das Verhaͤltniß aus, in welchem
man mit jemanden ſtehet, und die Pflich-
ten, ſo daraus flieſſen. Dieſes geſchiehet
zum Exempel, wenn ich ſage: Verlaß dei-
ne Mutter nicht in ihrem Alter, ſie iſt dei-
ne Mutter. Man bezeichnet mit dieſer
Art zu reden, auch den innern Character
eines andern. Nach dem ſchlechten Zu-
trauen, ſo die Roͤmer zu der Treue und
Glauben der Griechen hatten, haͤtte ein
Roͤmer zu dem andern ſagen koͤnnen: traue
keinen Griechen, ſie ſind Griechen, das
iſt, ſie ſind ſchlau und betruͤglich. Man
hoͤret nicht ſelten unter uns, daß einer den
andern auf dieſe Art gegen eine gewiſſe
Nation warnet, die unter uns wohnet.
Man zeiget ferner mit dieſer Art zu reden
an, daß etwas jemanden werde unange-
nehm ſeyn. Wenn ich ſage: ſchilt deiner
Großmutter Magd nicht, ſie iſt die Magd
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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 370. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/390>, abgerufen am 22.11.2024.
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