Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766.

Bild:
<< vorherige Seite

Weise leiten, und ohne welche alle ordent-
liche Ehen längstens würden aufgehöret
haben. Dergleichen sind die Schamhaf-
tigkeit, welche gewisse Dinge als schänd-
lich empfindet, und über eine sich zugezo-
gene Schande und Verachtung den em-
pfindlichsten Schmerz zeuget, die Eifer-
sucht, welche höchst ungern die Liebe einer
von uns zärtlich geliebten Person mit an-
dern theilet, sondern selbige gerne allein be-
sitzen und geniessen will, das Verlangen
Nachkommen zu haben, welche unser Ge-
schlecht fortsetzen und unser Vermögen er-
ben, die Liebe gegen Kinder, ein inneres
Gefühl der Seelen, welches uns unleidli-
che Vorwürfe machet, wenn man einer
Person, die uns zärtlich geliebet, Falsch-
heit bewiesen. Die Schamhaftigkeit ist
ein allgemeiner und sehr starker Trieb der
Natur, und man findet, daß er sich be-
sonders in Absicht auf gewisse Glieder und
deren Geschäfte fast unter allen Völkern
äussert, und selbige zu einer gewissen Ver-
bergung einiger Theile des Leibes bewo-
gen, um dadurch allerhand Unordnungen
und einen bösen Anschein vorzubeugen, und
zu verhindern, daß sie nicht gemein ge-
macht worden. Diejenigen, welche die-
sen Trieb ganz allein aus der Erziehung
herleiten, erklären doch, wodurch er fast
allgemein worden? Man saget, man mer-
ke ihn bey Kindern nicht. Man spüret

bey

Weiſe leiten, und ohne welche alle ordent-
liche Ehen laͤngſtens wuͤrden aufgehoͤret
haben. Dergleichen ſind die Schamhaf-
tigkeit, welche gewiſſe Dinge als ſchaͤnd-
lich empfindet, und uͤber eine ſich zugezo-
gene Schande und Verachtung den em-
pfindlichſten Schmerz zeuget, die Eifer-
ſucht, welche hoͤchſt ungern die Liebe einer
von uns zaͤrtlich geliebten Perſon mit an-
dern theilet, ſondern ſelbige gerne allein be-
ſitzen und genieſſen will, das Verlangen
Nachkommen zu haben, welche unſer Ge-
ſchlecht fortſetzen und unſer Vermoͤgen er-
ben, die Liebe gegen Kinder, ein inneres
Gefuͤhl der Seelen, welches uns unleidli-
che Vorwuͤrfe machet, wenn man einer
Perſon, die uns zaͤrtlich geliebet, Falſch-
heit bewieſen. Die Schamhaftigkeit iſt
ein allgemeiner und ſehr ſtarker Trieb der
Natur, und man findet, daß er ſich be-
ſonders in Abſicht auf gewiſſe Glieder und
deren Geſchaͤfte faſt unter allen Voͤlkern
aͤuſſert, und ſelbige zu einer gewiſſen Ver-
bergung einiger Theile des Leibes bewo-
gen, um dadurch allerhand Unordnungen
und einen boͤſen Anſchein vorzubeugen, und
zu verhindern, daß ſie nicht gemein ge-
macht worden. Diejenigen, welche die-
ſen Trieb ganz allein aus der Erziehung
herleiten, erklaͤren doch, wodurch er faſt
allgemein worden? Man ſaget, man mer-
ke ihn bey Kindern nicht. Man ſpuͤret

bey
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0314" n="294"/>
Wei&#x017F;e leiten, und ohne welche alle ordent-<lb/>
liche Ehen la&#x0364;ng&#x017F;tens wu&#x0364;rden aufgeho&#x0364;ret<lb/>
haben. Dergleichen &#x017F;ind die Schamhaf-<lb/>
tigkeit, welche gewi&#x017F;&#x017F;e Dinge als &#x017F;cha&#x0364;nd-<lb/>
lich empfindet, und u&#x0364;ber eine &#x017F;ich zugezo-<lb/>
gene Schande und Verachtung den em-<lb/>
pfindlich&#x017F;ten Schmerz zeuget, die Eifer-<lb/>
&#x017F;ucht, welche ho&#x0364;ch&#x017F;t ungern die Liebe einer<lb/>
von uns za&#x0364;rtlich geliebten Per&#x017F;on mit an-<lb/>
dern theilet, &#x017F;ondern &#x017F;elbige gerne allein be-<lb/>
&#x017F;itzen und genie&#x017F;&#x017F;en will, das Verlangen<lb/>
Nachkommen zu haben, welche un&#x017F;er Ge-<lb/>
&#x017F;chlecht fort&#x017F;etzen und un&#x017F;er Vermo&#x0364;gen er-<lb/>
ben, die Liebe gegen Kinder, ein inneres<lb/>
Gefu&#x0364;hl der Seelen, welches uns unleidli-<lb/>
che Vorwu&#x0364;rfe machet, wenn man einer<lb/>
Per&#x017F;on, die uns za&#x0364;rtlich geliebet, Fal&#x017F;ch-<lb/>
heit bewie&#x017F;en. Die Schamhaftigkeit i&#x017F;t<lb/>
ein allgemeiner und &#x017F;ehr &#x017F;tarker Trieb der<lb/>
Natur, und man findet, daß er &#x017F;ich be-<lb/>
&#x017F;onders in Ab&#x017F;icht auf gewi&#x017F;&#x017F;e Glieder und<lb/>
deren Ge&#x017F;cha&#x0364;fte fa&#x017F;t unter allen Vo&#x0364;lkern<lb/>
a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;ert, und &#x017F;elbige zu einer gewi&#x017F;&#x017F;en Ver-<lb/>
bergung einiger Theile des Leibes bewo-<lb/>
gen, um dadurch allerhand Unordnungen<lb/>
und einen bo&#x0364;&#x017F;en An&#x017F;chein vorzubeugen, und<lb/>
zu verhindern, daß &#x017F;ie nicht gemein ge-<lb/>
macht worden. Diejenigen, welche die-<lb/>
&#x017F;en Trieb ganz allein aus der Erziehung<lb/>
herleiten, erkla&#x0364;ren doch, wodurch er fa&#x017F;t<lb/>
allgemein worden? Man &#x017F;aget, man mer-<lb/>
ke ihn bey Kindern nicht. Man &#x017F;pu&#x0364;ret<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">bey</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[294/0314] Weiſe leiten, und ohne welche alle ordent- liche Ehen laͤngſtens wuͤrden aufgehoͤret haben. Dergleichen ſind die Schamhaf- tigkeit, welche gewiſſe Dinge als ſchaͤnd- lich empfindet, und uͤber eine ſich zugezo- gene Schande und Verachtung den em- pfindlichſten Schmerz zeuget, die Eifer- ſucht, welche hoͤchſt ungern die Liebe einer von uns zaͤrtlich geliebten Perſon mit an- dern theilet, ſondern ſelbige gerne allein be- ſitzen und genieſſen will, das Verlangen Nachkommen zu haben, welche unſer Ge- ſchlecht fortſetzen und unſer Vermoͤgen er- ben, die Liebe gegen Kinder, ein inneres Gefuͤhl der Seelen, welches uns unleidli- che Vorwuͤrfe machet, wenn man einer Perſon, die uns zaͤrtlich geliebet, Falſch- heit bewieſen. Die Schamhaftigkeit iſt ein allgemeiner und ſehr ſtarker Trieb der Natur, und man findet, daß er ſich be- ſonders in Abſicht auf gewiſſe Glieder und deren Geſchaͤfte faſt unter allen Voͤlkern aͤuſſert, und ſelbige zu einer gewiſſen Ver- bergung einiger Theile des Leibes bewo- gen, um dadurch allerhand Unordnungen und einen boͤſen Anſchein vorzubeugen, und zu verhindern, daß ſie nicht gemein ge- macht worden. Diejenigen, welche die- ſen Trieb ganz allein aus der Erziehung herleiten, erklaͤren doch, wodurch er faſt allgemein worden? Man ſaget, man mer- ke ihn bey Kindern nicht. Man ſpuͤret bey

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/314
Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/314>, abgerufen am 17.05.2024.