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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766.

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sie allezeit endliche Creaturen bleiben.
Meine Einbildungskraft, welche aber viel-
leicht nur einen Traum bildet, setzet hinzu,
daß die Vollkommenheit und Uebereinstim-
mung am größten sey, wenn jede Arth ver-
nünftiger und freyer Geschöpfe ausser Gott
nur ein einziges höchstes Oberhaupt von
seinem Geschlecht hätte. Die Schrift sa-
get mir, und meine Vernunft findet es den
Vollkommenheiten des unendlichen Schö-
pfers sehr gemäß, daß die Menschen von
Gott dazu bestimmet seyn, ein ewig seeliges
Volk auszumachen, und ich glaube, daß
die Grundanlage unserer Erde aus obiger
Ursache zu diesem Zweck eingerichtet wor-
den, ob der Allwissende gleich gesehen,
daß seine Absicht nicht völlig würde erhal-
ten werden. Der Plan, so fahre ich fort
zu muthmassen, der Plan war, ein geseeg-
netes Volk zu haben, welches unter Gott
in Ewigkeit von einem höchsten Oberhaupte
aus dessen eigenen Geschlechte die Befehle
des Allerhöchsten empfangen und regieret
werden sollte. Bey freyen Geschöpfen er-
hält man seinen Zweck selten blos durch
einen gewaltsamen Zwang. Eine freye
Creatur muß durch Bewegungs-Gründe
auf eine sanfte Weise gezogen werden,
wenn sie wenigstens auf eine freywillige
und tugendhafte Arth ihre Pflichten aus-
üben soll. Es mußte folglich nach dem
göttlichen Plan eine bewegende Ursach vor-

handen

ſie allezeit endliche Creaturen bleiben.
Meine Einbildungskraft, welche aber viel-
leicht nur einen Traum bildet, ſetzet hinzu,
daß die Vollkommenheit und Uebereinſtim-
mung am groͤßten ſey, wenn jede Arth ver-
nuͤnftiger und freyer Geſchoͤpfe auſſer Gott
nur ein einziges hoͤchſtes Oberhaupt von
ſeinem Geſchlecht haͤtte. Die Schrift ſa-
get mir, und meine Vernunft findet es den
Vollkommenheiten des unendlichen Schoͤ-
pfers ſehr gemaͤß, daß die Menſchen von
Gott dazu beſtimmet ſeyn, ein ewig ſeeliges
Volk auszumachen, und ich glaube, daß
die Grundanlage unſerer Erde aus obiger
Urſache zu dieſem Zweck eingerichtet wor-
den, ob der Allwiſſende gleich geſehen,
daß ſeine Abſicht nicht voͤllig wuͤrde erhal-
ten werden. Der Plan, ſo fahre ich fort
zu muthmaſſen, der Plan war, ein geſeeg-
netes Volk zu haben, welches unter Gott
in Ewigkeit von einem hoͤchſten Oberhaupte
aus deſſen eigenen Geſchlechte die Befehle
des Allerhoͤchſten empfangen und regieret
werden ſollte. Bey freyen Geſchoͤpfen er-
haͤlt man ſeinen Zweck ſelten blos durch
einen gewaltſamen Zwang. Eine freye
Creatur muß durch Bewegungs-Gruͤnde
auf eine ſanfte Weiſe gezogen werden,
wenn ſie wenigſtens auf eine freywillige
und tugendhafte Arth ihre Pflichten aus-
uͤben ſoll. Es mußte folglich nach dem
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[10/0030] ſie allezeit endliche Creaturen bleiben. Meine Einbildungskraft, welche aber viel- leicht nur einen Traum bildet, ſetzet hinzu, daß die Vollkommenheit und Uebereinſtim- mung am groͤßten ſey, wenn jede Arth ver- nuͤnftiger und freyer Geſchoͤpfe auſſer Gott nur ein einziges hoͤchſtes Oberhaupt von ſeinem Geſchlecht haͤtte. Die Schrift ſa- get mir, und meine Vernunft findet es den Vollkommenheiten des unendlichen Schoͤ- pfers ſehr gemaͤß, daß die Menſchen von Gott dazu beſtimmet ſeyn, ein ewig ſeeliges Volk auszumachen, und ich glaube, daß die Grundanlage unſerer Erde aus obiger Urſache zu dieſem Zweck eingerichtet wor- den, ob der Allwiſſende gleich geſehen, daß ſeine Abſicht nicht voͤllig wuͤrde erhal- ten werden. Der Plan, ſo fahre ich fort zu muthmaſſen, der Plan war, ein geſeeg- netes Volk zu haben, welches unter Gott in Ewigkeit von einem hoͤchſten Oberhaupte aus deſſen eigenen Geſchlechte die Befehle des Allerhoͤchſten empfangen und regieret werden ſollte. Bey freyen Geſchoͤpfen er- haͤlt man ſeinen Zweck ſelten blos durch einen gewaltſamen Zwang. Eine freye Creatur muß durch Bewegungs-Gruͤnde auf eine ſanfte Weiſe gezogen werden, wenn ſie wenigſtens auf eine freywillige und tugendhafte Arth ihre Pflichten aus- uͤben ſoll. Es mußte folglich nach dem goͤttlichen Plan eine bewegende Urſach vor- handen

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Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/30>, abgerufen am 29.03.2024.