Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766.

Bild:
<< vorherige Seite

annehmen, wenn ohne dergleichen Exempel
obiges Uebel durch keine gelinderen Mittel
zu verhüten wäre.

§. 5.
Es sind
Fälle, da
man ohne
Ungerech-
tigkeit zu ei-
ner Sünde
die Veran-
lassung gie-
bet.

Sollte aber ein solches Verfahren nicht
mit der Gerechtigkeit und Liebe streiten?
Gäbe ein solcher Heerführer nicht Anlaß,
daß die angeführten zwey Leute Ueber-
läufer und gehenket würden? Wäre er
nicht Ursach an ihrem Unglück? Muß man
Böses thun, damit Gutes daraus kom-
me? Jch will auf eine jede Frage beson-
ders antworten. Obiger General macht
die zweybezeichneten Leute nicht boshaft, er
verführet sie nicht zum Ueberlaufen, son-
dern er lässet sie dagegen warnen, und es
würde ihm lieb seyn, wenn gar niemand
unter seinem Heere so Gewissenlos wäre,
und die Fahne verliesse, an welche er sich
verpflichtet. Da dieses aber durch keine
gelinderen Mittel zu erhalten, so nimmt er
zwar Leute an, von welchen er weiß, daß
sie leichtsinnig und boshaft sind, und an-
dern zum Exempel werden gestrafet wer-
den, aber er machet sie nicht böse, sondern
veranlasset nur, daß sie ihre innere laster-
hafte Gesinnung auf andere Ausbrüche
richten, als sonst erfolget und die noch viel
schädlicher gewesen seyn würden. Jst es
aber wider die Gerechtigkeit und Liebe zu
veranlassen, daß die lasterhafte und un-

verbes-

annehmen, wenn ohne dergleichen Exempel
obiges Uebel durch keine gelinderen Mittel
zu verhuͤten waͤre.

§. 5.
Es ſind
Faͤlle, da
man ohne
Ungerech-
tigkeit zu ei-
ner Suͤnde
die Veran-
laſſung gie-
bet.

Sollte aber ein ſolches Verfahren nicht
mit der Gerechtigkeit und Liebe ſtreiten?
Gaͤbe ein ſolcher Heerfuͤhrer nicht Anlaß,
daß die angefuͤhrten zwey Leute Ueber-
laͤufer und gehenket wuͤrden? Waͤre er
nicht Urſach an ihrem Ungluͤck? Muß man
Boͤſes thun, damit Gutes daraus kom-
me? Jch will auf eine jede Frage beſon-
ders antworten. Obiger General macht
die zweybezeichneten Leute nicht boshaft, er
verfuͤhret ſie nicht zum Ueberlaufen, ſon-
dern er laͤſſet ſie dagegen warnen, und es
wuͤrde ihm lieb ſeyn, wenn gar niemand
unter ſeinem Heere ſo Gewiſſenlos waͤre,
und die Fahne verlieſſe, an welche er ſich
verpflichtet. Da dieſes aber durch keine
gelinderen Mittel zu erhalten, ſo nimmt er
zwar Leute an, von welchen er weiß, daß
ſie leichtſinnig und boshaft ſind, und an-
dern zum Exempel werden geſtrafet wer-
den, aber er machet ſie nicht boͤſe, ſondern
veranlaſſet nur, daß ſie ihre innere laſter-
hafte Geſinnung auf andere Ausbruͤche
richten, als ſonſt erfolget und die noch viel
ſchaͤdlicher geweſen ſeyn wuͤrden. Jſt es
aber wider die Gerechtigkeit und Liebe zu
veranlaſſen, daß die laſterhafte und un-

verbeſ-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0214" n="194"/>
annehmen, wenn ohne dergleichen Exempel<lb/>
obiges Uebel durch keine gelinderen Mittel<lb/>
zu verhu&#x0364;ten wa&#x0364;re.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>§. 5.</head><lb/>
          <note place="left">Es &#x017F;ind<lb/>
Fa&#x0364;lle, da<lb/>
man ohne<lb/>
Ungerech-<lb/>
tigkeit zu ei-<lb/>
ner Su&#x0364;nde<lb/>
die Veran-<lb/>
la&#x017F;&#x017F;ung gie-<lb/>
bet.</note>
          <p>Sollte aber ein &#x017F;olches Verfahren nicht<lb/>
mit der Gerechtigkeit und Liebe &#x017F;treiten?<lb/>
Ga&#x0364;be ein &#x017F;olcher Heerfu&#x0364;hrer nicht Anlaß,<lb/>
daß die angefu&#x0364;hrten zwey Leute Ueber-<lb/>
la&#x0364;ufer und gehenket wu&#x0364;rden? Wa&#x0364;re er<lb/>
nicht Ur&#x017F;ach an ihrem Unglu&#x0364;ck? Muß man<lb/>
Bo&#x0364;&#x017F;es thun, damit Gutes daraus kom-<lb/>
me? Jch will auf eine jede Frage be&#x017F;on-<lb/>
ders antworten. Obiger General macht<lb/>
die zweybezeichneten Leute nicht boshaft, er<lb/>
verfu&#x0364;hret &#x017F;ie nicht zum Ueberlaufen, &#x017F;on-<lb/>
dern er la&#x0364;&#x017F;&#x017F;et &#x017F;ie dagegen warnen, und es<lb/>
wu&#x0364;rde ihm lieb &#x017F;eyn, wenn gar niemand<lb/>
unter &#x017F;einem Heere &#x017F;o Gewi&#x017F;&#x017F;enlos wa&#x0364;re,<lb/>
und die Fahne verlie&#x017F;&#x017F;e, an welche er &#x017F;ich<lb/>
verpflichtet. Da die&#x017F;es aber durch keine<lb/>
gelinderen Mittel zu erhalten, &#x017F;o nimmt er<lb/>
zwar Leute an, von welchen er weiß, daß<lb/>
&#x017F;ie leicht&#x017F;innig und boshaft &#x017F;ind, und an-<lb/>
dern zum Exempel werden ge&#x017F;trafet wer-<lb/>
den, aber er machet &#x017F;ie nicht bo&#x0364;&#x017F;e, &#x017F;ondern<lb/>
veranla&#x017F;&#x017F;et nur, daß &#x017F;ie ihre innere la&#x017F;ter-<lb/>
hafte Ge&#x017F;innung auf andere Ausbru&#x0364;che<lb/>
richten, als &#x017F;on&#x017F;t erfolget und die noch viel<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;dlicher gewe&#x017F;en &#x017F;eyn wu&#x0364;rden. J&#x017F;t es<lb/>
aber wider die Gerechtigkeit und Liebe zu<lb/>
veranla&#x017F;&#x017F;en, daß die la&#x017F;terhafte und un-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">verbe&#x017F;-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[194/0214] annehmen, wenn ohne dergleichen Exempel obiges Uebel durch keine gelinderen Mittel zu verhuͤten waͤre. §. 5. Sollte aber ein ſolches Verfahren nicht mit der Gerechtigkeit und Liebe ſtreiten? Gaͤbe ein ſolcher Heerfuͤhrer nicht Anlaß, daß die angefuͤhrten zwey Leute Ueber- laͤufer und gehenket wuͤrden? Waͤre er nicht Urſach an ihrem Ungluͤck? Muß man Boͤſes thun, damit Gutes daraus kom- me? Jch will auf eine jede Frage beſon- ders antworten. Obiger General macht die zweybezeichneten Leute nicht boshaft, er verfuͤhret ſie nicht zum Ueberlaufen, ſon- dern er laͤſſet ſie dagegen warnen, und es wuͤrde ihm lieb ſeyn, wenn gar niemand unter ſeinem Heere ſo Gewiſſenlos waͤre, und die Fahne verlieſſe, an welche er ſich verpflichtet. Da dieſes aber durch keine gelinderen Mittel zu erhalten, ſo nimmt er zwar Leute an, von welchen er weiß, daß ſie leichtſinnig und boshaft ſind, und an- dern zum Exempel werden geſtrafet wer- den, aber er machet ſie nicht boͤſe, ſondern veranlaſſet nur, daß ſie ihre innere laſter- hafte Geſinnung auf andere Ausbruͤche richten, als ſonſt erfolget und die noch viel ſchaͤdlicher geweſen ſeyn wuͤrden. Jſt es aber wider die Gerechtigkeit und Liebe zu veranlaſſen, daß die laſterhafte und un- verbeſ-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/214
Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/214>, abgerufen am 26.11.2024.