ne. Diese Vernunft aber, damit ich auch hierinne offenhertzig sey, ist in den mehresten Stücken diejenige, welche in diesem Jahrhundert vor andern Mode ist. Hätte ich vor hundert Jahren gelebt, so wür- de sie anders ausgesehen haben, und leb- te ich nach hundert Jahren, so würde sie wieder anders gestaltet seyn. Mein Urtheil von diesen meinen eigenen Be- trachtungen ist derowegen dieses, die ge- offenbarten Wahrheiten, so darinnen sind, werden in alle Ewigkeit bleiben. Wie viel Sätze meiner Vernunft aber zu der Kette der ewigen Wahrheiten ge- hören, weiß ich selber nicht, und lasse solches dahin gestellet seyn, bis ich in die Gesellschafft derjenigen Weisen gelange, deren Wissen kein Stückwerck mehr ist. So lange gedulde dich auch, mein Leser, und bleib indessen den redlichen Absichten des Verfassers gewogen.
Zum Beschluß muß nur noch erinnern, daß alle diese Betrachtungen von mir auf-
gesetzet,
D 3
ne. Dieſe Vernunft aber, damit ich auch hierinne offenhertzig ſey, iſt in den mehreſten Stuͤcken diejenige, welche in dieſem Jahrhundert vor andern Mode iſt. Haͤtte ich vor hundert Jahren gelebt, ſo wuͤr- de ſie anders ausgeſehen haben, und leb- te ich nach hundert Jahren, ſo wuͤrde ſie wieder anders geſtaltet ſeyn. Mein Urtheil von dieſen meinen eigenen Be- trachtungen iſt derowegen dieſes, die ge- offenbarten Wahrheiten, ſo darinnen ſind, werden in alle Ewigkeit bleiben. Wie viel Saͤtze meiner Vernunft aber zu der Kette der ewigen Wahrheiten ge- hoͤren, weiß ich ſelber nicht, und laſſe ſolches dahin geſtellet ſeyn, bis ich in die Geſellſchafft derjenigen Weiſen gelange, deren Wiſſen kein Stuͤckwerck mehr iſt. So lange gedulde dich auch, mein Leſer, und bleib indeſſen den redlichen Abſichten des Verfaſſers gewogen.
Zum Beſchluß muß nur noch erinnern, daß alle dieſe Betrachtungen von mir auf-
geſetzet,
D 3
<TEI><text><front><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0071"n="53"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
ne. Dieſe Vernunft aber, damit ich<lb/>
auch hierinne offenhertzig ſey, iſt in den<lb/>
mehreſten Stuͤcken diejenige, welche in<lb/>
dieſem Jahrhundert vor andern Mode iſt.<lb/>
Haͤtte ich vor hundert Jahren gelebt, ſo wuͤr-<lb/>
de ſie anders ausgeſehen haben, und leb-<lb/>
te ich nach hundert Jahren, ſo wuͤrde<lb/>ſie wieder anders geſtaltet ſeyn. Mein<lb/>
Urtheil von dieſen meinen eigenen Be-<lb/>
trachtungen iſt derowegen dieſes, die ge-<lb/>
offenbarten Wahrheiten, ſo darinnen<lb/>ſind, werden in alle Ewigkeit bleiben.<lb/>
Wie viel Saͤtze meiner Vernunft aber<lb/>
zu der Kette der ewigen Wahrheiten ge-<lb/>
hoͤren, weiß ich ſelber nicht, und laſſe<lb/>ſolches dahin geſtellet ſeyn, bis ich in die<lb/>
Geſellſchafft derjenigen Weiſen gelange,<lb/>
deren Wiſſen kein Stuͤckwerck mehr iſt.<lb/>
So lange gedulde dich auch, mein Leſer,<lb/>
und bleib indeſſen den redlichen Abſichten<lb/>
des Verfaſſers gewogen.</p><lb/><p>Zum Beſchluß muß nur noch erinnern,<lb/>
daß alle dieſe Betrachtungen von mir auf-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">D 3</fw><fwplace="bottom"type="catch">geſetzet,</fw><lb/></p></div></div></front></text></TEI>
[53/0071]
ne. Dieſe Vernunft aber, damit ich
auch hierinne offenhertzig ſey, iſt in den
mehreſten Stuͤcken diejenige, welche in
dieſem Jahrhundert vor andern Mode iſt.
Haͤtte ich vor hundert Jahren gelebt, ſo wuͤr-
de ſie anders ausgeſehen haben, und leb-
te ich nach hundert Jahren, ſo wuͤrde
ſie wieder anders geſtaltet ſeyn. Mein
Urtheil von dieſen meinen eigenen Be-
trachtungen iſt derowegen dieſes, die ge-
offenbarten Wahrheiten, ſo darinnen
ſind, werden in alle Ewigkeit bleiben.
Wie viel Saͤtze meiner Vernunft aber
zu der Kette der ewigen Wahrheiten ge-
hoͤren, weiß ich ſelber nicht, und laſſe
ſolches dahin geſtellet ſeyn, bis ich in die
Geſellſchafft derjenigen Weiſen gelange,
deren Wiſſen kein Stuͤckwerck mehr iſt.
So lange gedulde dich auch, mein Leſer,
und bleib indeſſen den redlichen Abſichten
des Verfaſſers gewogen.
Zum Beſchluß muß nur noch erinnern,
daß alle dieſe Betrachtungen von mir auf-
geſetzet,
D 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 2. Göttingen, 1745, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen02_1745/71>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.