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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 2. Göttingen, 1745.

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daß ein jeder Mensch gewisse Unwahrheiten
aus Jrrthum für Wahrheiten halte. Nie-
mand unter den Sterblichen kan sich daher
eine reine Vernunft ohne Jrrthum anmas-
sen. Niemand kennet auch seine eigene
Jrrthümer, und unterscheidet folglich auch
nicht in allen Fällen die wahre Vernunft
von der fälschlich eingebildeten.

Wir dörfen derowegen bey diesen bey-
den ersten Fragen nicht stehen bleiben, son-
dern wir müssen vor allen Dingen die drit-
te untersuchen: ob und wie weit ein jeder
seine mit unerkannten Jrrthümern ver-
mischte Einsicht, welche ein jeglicher für die
eintzige und wahre Vernunft zu halten
pflegt, bey Erklärung der Schrift und in
Glaubens-Lehren zu gebrauchen habe.

§. V.
Nach der
dritten Be-
deutung.

Wir haben zwar eine andere Bedeu-
tung des Wortes Vernunft als die dritte
angeführet, da nemlich der Zusammenhang
der Wahrheiten selber dadurch angezeiget
wird, und wir sollten derowegen nach obi-
ger Ordnung erst fragen: wie weit die Ver-
nunft bey Erklärung der Schrift und in
den Glaubens-Lehren Statt finde, wenn

man



daß ein jeder Menſch gewiſſe Unwahrheiten
aus Jrrthum fuͤr Wahrheiten halte. Nie-
mand unter den Sterblichen kan ſich daher
eine reine Vernunft ohne Jrrthum anmaſ-
ſen. Niemand kennet auch ſeine eigene
Jrrthuͤmer, und unterſcheidet folglich auch
nicht in allen Faͤllen die wahre Vernunft
von der faͤlſchlich eingebildeten.

Wir doͤrfen derowegen bey dieſen bey-
den erſten Fragen nicht ſtehen bleiben, ſon-
dern wir muͤſſen vor allen Dingen die drit-
te unterſuchen: ob und wie weit ein jeder
ſeine mit unerkannten Jrrthuͤmern ver-
miſchte Einſicht, welche ein jeglicher fuͤr die
eintzige und wahre Vernunft zu halten
pflegt, bey Erklaͤrung der Schrift und in
Glaubens-Lehren zu gebrauchen habe.

§. V.
Nach der
dritten Be-
deutung.

Wir haben zwar eine andere Bedeu-
tung des Wortes Vernunft als die dritte
angefuͤhret, da nemlich der Zuſammenhang
der Wahrheiten ſelber dadurch angezeiget
wird, und wir ſollten derowegen nach obi-
ger Ordnung erſt fragen: wie weit die Ver-
nunft bey Erklaͤrung der Schrift und in
den Glaubens-Lehren Statt finde, wenn

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[10/0028] daß ein jeder Menſch gewiſſe Unwahrheiten aus Jrrthum fuͤr Wahrheiten halte. Nie- mand unter den Sterblichen kan ſich daher eine reine Vernunft ohne Jrrthum anmaſ- ſen. Niemand kennet auch ſeine eigene Jrrthuͤmer, und unterſcheidet folglich auch nicht in allen Faͤllen die wahre Vernunft von der faͤlſchlich eingebildeten. Wir doͤrfen derowegen bey dieſen bey- den erſten Fragen nicht ſtehen bleiben, ſon- dern wir muͤſſen vor allen Dingen die drit- te unterſuchen: ob und wie weit ein jeder ſeine mit unerkannten Jrrthuͤmern ver- miſchte Einſicht, welche ein jeglicher fuͤr die eintzige und wahre Vernunft zu halten pflegt, bey Erklaͤrung der Schrift und in Glaubens-Lehren zu gebrauchen habe. §. V. Wir haben zwar eine andere Bedeu- tung des Wortes Vernunft als die dritte angefuͤhret, da nemlich der Zuſammenhang der Wahrheiten ſelber dadurch angezeiget wird, und wir ſollten derowegen nach obi- ger Ordnung erſt fragen: wie weit die Ver- nunft bey Erklaͤrung der Schrift und in den Glaubens-Lehren Statt finde, wenn man

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Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 2. Göttingen, 1745, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen02_1745/28>, abgerufen am 21.11.2024.