se Weise lernen, daß uns ein Wort be- sonders im ersten Anfange, mehr als zehn- mahl, ja wohl hundert und noch mehrmahl vorgesaget werde. Geschiehet dieses nicht, so gelangen wir zu keiner Sprache. Der grosse Mogul in Jndien Akebar ließ ein- sten zwölff junge Kinder in ein Gemach schliessen, und von stummen Leuten ver- wahren und ernehren, um zu sehen, was vor eine Sprache sie annehmen würden. Aber nach zwölff Jahren hatten sie sich noch nicht gewöhnet ein eintziges Wort, so aus Sylben bestanden, auszusprechen, und damit eine Sache zu benennen, son- dern druckten ihr Verlangen durch lauter wincken der Hände aus. Siehe Olai Borrichii Dissertationem de causis diuersitatis linguarum, in initio, und des Herrn D. Koenigs Schediasma de hominum inter feras educatorum statu naturali solitario. §. XVI. pag. 23. Eben dergleichen Proben findet man mehr, woraus zur Gnüge erhellet, daß wir die Fertigkeit zu reden nicht bekommen, wenn wir nicht mit sprechenden Leuten häufig umgehen, und ein Wort öffters hören. Und auf eine ähnliche Weise verhält es sich mit der Vernunfft. Wir kommen
zu
ſe Weiſe lernen, daß uns ein Wort be- ſonders im erſten Anfange, mehr als zehn- mahl, ja wohl hundert und noch mehrmahl vorgeſaget werde. Geſchiehet dieſes nicht, ſo gelangen wir zu keiner Sprache. Der groſſe Mogul in Jndien Akebar ließ ein- ſten zwoͤlff junge Kinder in ein Gemach ſchlieſſen, und von ſtummen Leuten ver- wahren und ernehren, um zu ſehen, was vor eine Sprache ſie annehmen wuͤrden. Aber nach zwoͤlff Jahren hatten ſie ſich noch nicht gewoͤhnet ein eintziges Wort, ſo aus Sylben beſtanden, auszuſprechen, und damit eine Sache zu benennen, ſon- dern druckten ihr Verlangen durch lauter wincken der Haͤnde aus. Siehe Olai Borrichii Diſſertationem de cauſis diuerſitatis linguarum, in initio, und des Herrn D. Kœnigs Schediasma de hominum inter feras educatorum ſtatu naturali ſolitario. §. XVI. pag. 23. Eben dergleichen Proben findet man mehr, woraus zur Gnuͤge erhellet, daß wir die Fertigkeit zu reden nicht bekommen, wenn wir nicht mit ſprechenden Leuten haͤufig umgehen, und ein Wort oͤffters hoͤren. Und auf eine aͤhnliche Weiſe verhaͤlt es ſich mit der Vernunfft. Wir kommen
zu
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ſe Weiſe lernen, daß uns ein Wort be-
ſonders im erſten Anfange, mehr als zehn-
mahl, ja wohl hundert und noch mehrmahl
vorgeſaget werde. Geſchiehet dieſes nicht,
ſo gelangen wir zu keiner Sprache. Der
groſſe Mogul in Jndien Akebar ließ ein-
ſten zwoͤlff junge Kinder in ein Gemach
ſchlieſſen, und von ſtummen Leuten ver-
wahren und ernehren, um zu ſehen, was
vor eine Sprache ſie annehmen wuͤrden.
Aber nach zwoͤlff Jahren hatten ſie ſich
noch nicht gewoͤhnet ein eintziges Wort,
ſo aus Sylben beſtanden, auszuſprechen,
und damit eine Sache zu benennen, ſon-
dern druckten ihr Verlangen durch lauter
wincken der Haͤnde aus. Siehe Olai
Borrichii Diſſertationem de cauſis
diuerſitatis linguarum, in initio, und
des Herrn D. Kœnigs Schediasma de
hominum inter feras educatorum
ſtatu naturali ſolitario. §. XVI. pag. 23.
Eben dergleichen Proben findet man mehr,
woraus zur Gnuͤge erhellet, daß wir die
Fertigkeit zu reden nicht bekommen, wenn
wir nicht mit ſprechenden Leuten haͤufig
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Und auf eine aͤhnliche Weiſe verhaͤlt es
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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/83>, abgerufen am 25.11.2024.
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