da sie sich durch selbige solten zur Busse lei- ten lassen? Röm. Cap. 2. v. 4. Der Mißbrauch und die falsche Erklärung und Anwendung einer Lehre hebt die Wahrheit derselben nicht auf. Wir wollen die Vor- nehmsten von den verkehrten Erklärungen und Anwendungen der heiligsten Lehre von der Gnugthuung JEsu Christi an- führen.
§. 15.
Eine jede weise Gnug- thuung giebt An- leitung zur Busse.
Man macht sich folgende irrige Vor- stellung. Man dencket: Christus hat für die Sünden der Welt gnug gethan, damit man sicher in Sünden könne wegleben und dennoch seelig werden. Man macht Christum zu einem Sündendiener, der die Erlaubniß zu sündigen festgesetzt, dawi- der doch Paulus ernstlich warnet Gal. Cap. 2. v. 17. Es gründet sich dieser ir- rige Gedancken auf eine falsche Vorstel- lung, die man sich von einer Gnugthu- ung überhaupt, und denn auch ins beson- dere von der Gnugthuung JEsu Christi macht. Man meinet, ein Sünder, für welchen ein ander büsset, könne frei sündi- gen. Hierzu aber giebet keine Gnugthu- ung, die ein vernünftiger Richter an- nimmt, Freiheit, sondern die Gnugthu- ung ermahnt uns vielmehr von Sünden abzustehen. Denn warum lässet ein wei-
ser
da ſie ſich durch ſelbige ſolten zur Buſſe lei- ten laſſen? Roͤm. Cap. 2. v. 4. Der Mißbrauch und die falſche Erklaͤrung und Anwendung einer Lehre hebt die Wahrheit derſelben nicht auf. Wir wollen die Vor- nehmſten von den verkehrten Erklaͤrungen und Anwendungen der heiligſten Lehre von der Gnugthuung JEſu Chriſti an- fuͤhren.
§. 15.
Eine jede weiſe Gnug- thuung giebt An- leitung zur Buſſe.
Man macht ſich folgende irrige Vor- ſtellung. Man dencket: Chriſtus hat fuͤr die Suͤnden der Welt gnug gethan, damit man ſicher in Suͤnden koͤnne wegleben und dennoch ſeelig werden. Man macht Chriſtum zu einem Suͤndendiener, der die Erlaubniß zu ſuͤndigen feſtgeſetzt, dawi- der doch Paulus ernſtlich warnet Gal. Cap. 2. v. 17. Es gruͤndet ſich dieſer ir- rige Gedancken auf eine falſche Vorſtel- lung, die man ſich von einer Gnugthu- ung uͤberhaupt, und denn auch ins beſon- dere von der Gnugthuung JEſu Chriſti macht. Man meinet, ein Suͤnder, fuͤr welchen ein ander buͤſſet, koͤnne frei ſuͤndi- gen. Hierzu aber giebet keine Gnugthu- ung, die ein vernuͤnftiger Richter an- nimmt, Freiheit, ſondern die Gnugthu- ung ermahnt uns vielmehr von Suͤnden abzuſtehen. Denn warum laͤſſet ein wei-
ſer
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[466[462]/0498]
da ſie ſich durch ſelbige ſolten zur Buſſe lei-
ten laſſen? Roͤm. Cap. 2. v. 4. Der
Mißbrauch und die falſche Erklaͤrung und
Anwendung einer Lehre hebt die Wahrheit
derſelben nicht auf. Wir wollen die Vor-
nehmſten von den verkehrten Erklaͤrungen
und Anwendungen der heiligſten Lehre
von der Gnugthuung JEſu Chriſti an-
fuͤhren.
§. 15.
Man macht ſich folgende irrige Vor-
ſtellung. Man dencket: Chriſtus hat fuͤr
die Suͤnden der Welt gnug gethan, damit
man ſicher in Suͤnden koͤnne wegleben
und dennoch ſeelig werden. Man macht
Chriſtum zu einem Suͤndendiener, der die
Erlaubniß zu ſuͤndigen feſtgeſetzt, dawi-
der doch Paulus ernſtlich warnet Gal.
Cap. 2. v. 17. Es gruͤndet ſich dieſer ir-
rige Gedancken auf eine falſche Vorſtel-
lung, die man ſich von einer Gnugthu-
ung uͤberhaupt, und denn auch ins beſon-
dere von der Gnugthuung JEſu Chriſti
macht. Man meinet, ein Suͤnder, fuͤr
welchen ein ander buͤſſet, koͤnne frei ſuͤndi-
gen. Hierzu aber giebet keine Gnugthu-
ung, die ein vernuͤnftiger Richter an-
nimmt, Freiheit, ſondern die Gnugthu-
ung ermahnt uns vielmehr von Suͤnden
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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741, S. 466[462]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/498>, abgerufen am 28.11.2024.
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