Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741.

Bild:
<< vorherige Seite





lig seyn, wenn GOtt die Lasterhaften so
gleich sämtlich aus der Welt wegraffen
wolte, lehret auch JEsus Matth. Cap.
13. v. 29. 30. Er stellet sich unter einem
Menschen vor, der guten Saamen auf
seinen Acker säet d. i. der hie und da in
der Welt durch sein Evangelium tugend-
hafte Seelen erwecket. Der Feind aber,
der Satan, säet Unkraut darunter, er
reitzet viele Menschen zur Bosheit. (siehe
Matth. Cap. 13. v. 37. 38. 39.) Sei-
ne Knechte wünschen, daß ihnen Macht
gegeben würde dieses Unkraut auszugä-
ten, die Bösen aus der Welt wegzu-
schaffen. Allein was antwortet der
Hausvater? Er sprach: nein, auf daß
ihr nicht zugleich den Weitzen mit aus-
rauffet, so ihr das Unkraut ausgätet.
Lasset beydes mit einander wachsen bis
zur Erndte. Unserer Einsicht nach will
der Heiland hiedurch nichts anders, als
dieses sagen: es können die Gottlosen vor
dem jüngsten Tage nicht von den Frommen
abgesondert werden, ohne den Tugend-
haften selbst Schaden zuzufügen. Man
würde der Tugend Abbruch thun, wenn
man anietzt alle Lasterhafte aus der
Welt wegschaffen wolte. Die Wur-
tzeln des Weitzens und des Unkrautes
sind dergestalt mit einander verknüpfft,
daß man das Unkraut ohne Schaden

des





lig ſeyn, wenn GOtt die Laſterhaften ſo
gleich ſaͤmtlich aus der Welt wegraffen
wolte, lehret auch JEſus Matth. Cap.
13. v. 29. 30. Er ſtellet ſich unter einem
Menſchen vor, der guten Saamen auf
ſeinen Acker ſaͤet d. i. der hie und da in
der Welt durch ſein Evangelium tugend-
hafte Seelen erwecket. Der Feind aber,
der Satan, ſaͤet Unkraut darunter, er
reitzet viele Menſchen zur Bosheit. (ſiehe
Matth. Cap. 13. v. 37. 38. 39.) Sei-
ne Knechte wuͤnſchen, daß ihnen Macht
gegeben wuͤrde dieſes Unkraut auszugaͤ-
ten, die Boͤſen aus der Welt wegzu-
ſchaffen. Allein was antwortet der
Hausvater? Er ſprach: nein, auf daß
ihr nicht zugleich den Weitzen mit aus-
rauffet, ſo ihr das Unkraut ausgaͤtet.
Laſſet beydes mit einander wachſen bis
zur Erndte. Unſerer Einſicht nach will
der Heiland hiedurch nichts anders, als
dieſes ſagen: es koͤnnen die Gottloſen vor
dem juͤngſten Tage nicht von den From̃en
abgeſondert werden, ohne den Tugend-
haften ſelbſt Schaden zuzufuͤgen. Man
wuͤrde der Tugend Abbruch thun, wenn
man anietzt alle Laſterhafte aus der
Welt wegſchaffen wolte. Die Wur-
tzeln des Weitzens und des Unkrautes
ſind dergeſtalt mit einander verknuͤpfft,
daß man das Unkraut ohne Schaden

des
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0035" n="31"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
lig &#x017F;eyn, wenn GOtt die La&#x017F;terhaften &#x017F;o<lb/>
gleich &#x017F;a&#x0364;mtlich aus der Welt wegraffen<lb/>
wolte, lehret auch JE&#x017F;us Matth. Cap.<lb/>
13. v. 29. 30. Er &#x017F;tellet &#x017F;ich unter einem<lb/>
Men&#x017F;chen vor, der guten Saamen auf<lb/>
&#x017F;einen Acker &#x017F;a&#x0364;et d. i. der hie und da in<lb/>
der Welt durch &#x017F;ein Evangelium tugend-<lb/>
hafte Seelen erwecket. Der Feind aber,<lb/>
der Satan, &#x017F;a&#x0364;et Unkraut darunter, er<lb/>
reitzet viele Men&#x017F;chen zur Bosheit. (&#x017F;iehe<lb/>
Matth. Cap. 13. v. 37. 38. 39.) Sei-<lb/>
ne Knechte wu&#x0364;n&#x017F;chen, daß ihnen Macht<lb/>
gegeben wu&#x0364;rde die&#x017F;es Unkraut auszuga&#x0364;-<lb/>
ten, die Bo&#x0364;&#x017F;en aus der Welt wegzu-<lb/>
&#x017F;chaffen. Allein was antwortet der<lb/>
Hausvater? Er &#x017F;prach: nein, auf daß<lb/>
ihr nicht zugleich den Weitzen mit aus-<lb/>
rauffet, &#x017F;o ihr das Unkraut ausga&#x0364;tet.<lb/>
La&#x017F;&#x017F;et beydes mit einander wach&#x017F;en bis<lb/>
zur Erndte. Un&#x017F;erer Ein&#x017F;icht nach will<lb/>
der Heiland hiedurch nichts anders, als<lb/>
die&#x017F;es &#x017F;agen: es ko&#x0364;nnen die Gottlo&#x017F;en vor<lb/>
dem ju&#x0364;ng&#x017F;ten Tage nicht von den From&#x0303;en<lb/>
abge&#x017F;ondert werden, ohne den Tugend-<lb/>
haften &#x017F;elb&#x017F;t Schaden zuzufu&#x0364;gen. Man<lb/>
wu&#x0364;rde der Tugend Abbruch thun, wenn<lb/>
man anietzt alle La&#x017F;terhafte aus der<lb/>
Welt weg&#x017F;chaffen wolte. Die Wur-<lb/>
tzeln des Weitzens und des Unkrautes<lb/>
&#x017F;ind derge&#x017F;talt mit einander verknu&#x0364;pfft,<lb/>
daß man das Unkraut ohne Schaden<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">des</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[31/0035] lig ſeyn, wenn GOtt die Laſterhaften ſo gleich ſaͤmtlich aus der Welt wegraffen wolte, lehret auch JEſus Matth. Cap. 13. v. 29. 30. Er ſtellet ſich unter einem Menſchen vor, der guten Saamen auf ſeinen Acker ſaͤet d. i. der hie und da in der Welt durch ſein Evangelium tugend- hafte Seelen erwecket. Der Feind aber, der Satan, ſaͤet Unkraut darunter, er reitzet viele Menſchen zur Bosheit. (ſiehe Matth. Cap. 13. v. 37. 38. 39.) Sei- ne Knechte wuͤnſchen, daß ihnen Macht gegeben wuͤrde dieſes Unkraut auszugaͤ- ten, die Boͤſen aus der Welt wegzu- ſchaffen. Allein was antwortet der Hausvater? Er ſprach: nein, auf daß ihr nicht zugleich den Weitzen mit aus- rauffet, ſo ihr das Unkraut ausgaͤtet. Laſſet beydes mit einander wachſen bis zur Erndte. Unſerer Einſicht nach will der Heiland hiedurch nichts anders, als dieſes ſagen: es koͤnnen die Gottloſen vor dem juͤngſten Tage nicht von den From̃en abgeſondert werden, ohne den Tugend- haften ſelbſt Schaden zuzufuͤgen. Man wuͤrde der Tugend Abbruch thun, wenn man anietzt alle Laſterhafte aus der Welt wegſchaffen wolte. Die Wur- tzeln des Weitzens und des Unkrautes ſind dergeſtalt mit einander verknuͤpfft, daß man das Unkraut ohne Schaden des

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/35
Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/35>, abgerufen am 21.11.2024.