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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741.

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sich selbst nicht streiten. Ein Wille, der
mit sich selbst nicht einig ist, ist nur eine
Unvollkommenheit solcher Geister, denen
es an Vernunft fehlet. Jst es aber un-
recht, dem vollkommensten Wesen eine
solche Unvollkommenheit anzudichten, die
nur ein Zeichen eines endlichen und fin-
stern Verstandes ist, so kan man auch
nicht annehmen, daß sein Wille mit sich
selbst uneinig wäre. Alle Dinge aber,
die ihr Seyn von ihm haben sollen, müs-
sen durch seinen Willen hervorgebracht
werden. Folglich müssen sie so beschaf-
fen seyn, daß sie keinen Streit in seinem
Willen zum voraus setzen. Diejenigen
Dinge aber, deren Würcklichkeit einen
mit sich selbst streitenden Willen erfor-
dern, können durch seinen Willen, ob er
gleich allmächtig ist, nicht würcklich wer-
den. Da nun alles das, was einen Wi-
derspruch in sich enthält, durch einen mit
sich selbst uneinigen Willen zur Würck-
lichkeit müste gebracht werden, so erstreckt
sich die Allmacht GOttes auf dergleichen
Dinge nicht. Z. E. Zugleich trocken
und naß seyn, widerspricht einander.
Wolte derowegen GOtt ein trockenes
Naß machen, so müste er wollen, daß et-
was solte naß und auch zugleich nicht naß
sondern trocken seyn. Folglich müste
sein Wille mit sich selbst streiten. Da

er





ſich ſelbſt nicht ſtreiten. Ein Wille, der
mit ſich ſelbſt nicht einig iſt, iſt nur eine
Unvollkommenheit ſolcher Geiſter, denen
es an Vernunft fehlet. Jſt es aber un-
recht, dem vollkommenſten Weſen eine
ſolche Unvollkommenheit anzudichten, die
nur ein Zeichen eines endlichen und fin-
ſtern Verſtandes iſt, ſo kan man auch
nicht annehmen, daß ſein Wille mit ſich
ſelbſt uneinig waͤre. Alle Dinge aber,
die ihr Seyn von ihm haben ſollen, muͤſ-
ſen durch ſeinen Willen hervorgebracht
werden. Folglich muͤſſen ſie ſo beſchaf-
fen ſeyn, daß ſie keinen Streit in ſeinem
Willen zum voraus ſetzen. Diejenigen
Dinge aber, deren Wuͤrcklichkeit einen
mit ſich ſelbſt ſtreitenden Willen erfor-
dern, koͤnnen durch ſeinen Willen, ob er
gleich allmaͤchtig iſt, nicht wuͤrcklich wer-
den. Da nun alles das, was einen Wi-
derſpruch in ſich enthaͤlt, durch einen mit
ſich ſelbſt uneinigen Willen zur Wuͤrck-
lichkeit muͤſte gebracht werden, ſo erſtreckt
ſich die Allmacht GOttes auf dergleichen
Dinge nicht. Z. E. Zugleich trocken
und naß ſeyn, widerſpricht einander.
Wolte derowegen GOtt ein trockenes
Naß machen, ſo muͤſte er wollen, daß et-
was ſolte naß und auch zugleich nicht naß
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ſein Wille mit ſich ſelbſt ſtreiten. Da

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[302[298]/0334] ſich ſelbſt nicht ſtreiten. Ein Wille, der mit ſich ſelbſt nicht einig iſt, iſt nur eine Unvollkommenheit ſolcher Geiſter, denen es an Vernunft fehlet. Jſt es aber un- recht, dem vollkommenſten Weſen eine ſolche Unvollkommenheit anzudichten, die nur ein Zeichen eines endlichen und fin- ſtern Verſtandes iſt, ſo kan man auch nicht annehmen, daß ſein Wille mit ſich ſelbſt uneinig waͤre. Alle Dinge aber, die ihr Seyn von ihm haben ſollen, muͤſ- ſen durch ſeinen Willen hervorgebracht werden. Folglich muͤſſen ſie ſo beſchaf- fen ſeyn, daß ſie keinen Streit in ſeinem Willen zum voraus ſetzen. Diejenigen Dinge aber, deren Wuͤrcklichkeit einen mit ſich ſelbſt ſtreitenden Willen erfor- dern, koͤnnen durch ſeinen Willen, ob er gleich allmaͤchtig iſt, nicht wuͤrcklich wer- den. Da nun alles das, was einen Wi- derſpruch in ſich enthaͤlt, durch einen mit ſich ſelbſt uneinigen Willen zur Wuͤrck- lichkeit muͤſte gebracht werden, ſo erſtreckt ſich die Allmacht GOttes auf dergleichen Dinge nicht. Z. E. Zugleich trocken und naß ſeyn, widerſpricht einander. Wolte derowegen GOtt ein trockenes Naß machen, ſo muͤſte er wollen, daß et- was ſolte naß und auch zugleich nicht naß ſondern trocken ſeyn. Folglich muͤſte ſein Wille mit ſich ſelbſt ſtreiten. Da er

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Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741, S. 302[298]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/334>, abgerufen am 24.11.2024.