denn die Ursache, warum mir der Wein und Baumöl eckelte. Es entstand nemlich bey Gelegenheit desselben eine solche Vorstellung in der Seele, welche mir sehr zuwider war, und diese machte mir eine Abneigung vor demjenigen, womit sie verknüpft wurde. Es dauer- te dahero dieser Eckel auch nicht länger, als die Vorstellung der Einbildungs- kraft von dem vorigen Geschmack recht klar und lebhaft war; so bald aber sel- bige durch die Länge der Zeit verdunckelt wurde, so hörete auch der Eckel auf. Darf man nun in ähnlichen Fällen ähn- liches muthmassen; so wird die Furcht, welche viele von ihrer Kindheit her in der Finsterniß überfällt, und der Abscheu, welchen vorerwehnter junger Mensch vor der Milch hatte, gleichfals von der Ein- bildungskraft herzuleiten seyn, welche auf eine sehr dunckele Art diejenige un- angenehme Empfindung hervorbringet, welche ehemals mit der Finsterniß und der Milch vergesellschaftet gewesen.
§. 9.
Beweiß, daß die Einbil- dungs, kraft uns etwas
Wir können aber auf diese Weise nicht nur eine Abneigung vor einer Sa- che bekommen, sondern es kan uns auf gleiche Art auch etwas angenehm wer- den. Man hat schon längst bemercket,
daß
denn die Urſache, warum mir der Wein und Baumoͤl eckelte. Es entſtand nemlich bey Gelegenheit deſſelben eine ſolche Vorſtellung in der Seele, welche mir ſehr zuwider war, und dieſe machte mir eine Abneigung vor demjenigen, womit ſie verknuͤpft wurde. Es dauer- te dahero dieſer Eckel auch nicht laͤnger, als die Vorſtellung der Einbildungs- kraft von dem vorigen Geſchmack recht klar und lebhaft war; ſo bald aber ſel- bige durch die Laͤnge der Zeit verdunckelt wurde, ſo hoͤrete auch der Eckel auf. Darf man nun in aͤhnlichen Faͤllen aͤhn- liches muthmaſſen; ſo wird die Furcht, welche viele von ihrer Kindheit her in der Finſterniß uͤberfaͤllt, und der Abſcheu, welchen vorerwehnter junger Menſch vor der Milch hatte, gleichfals von der Ein- bildungskraft herzuleiten ſeyn, welche auf eine ſehr dunckele Art diejenige un- angenehme Empfindung hervorbringet, welche ehemals mit der Finſterniß und der Milch vergeſellſchaftet geweſen.
§. 9.
Beweiß, daß die Einbil- dungs, kraft uns etwas
Wir koͤnnen aber auf dieſe Weiſe nicht nur eine Abneigung vor einer Sa- che bekommen, ſondern es kan uns auf gleiche Art auch etwas angenehm wer- den. Man hat ſchon laͤngſt bemercket,
daß
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[256[252]/0288]
denn die Urſache, warum mir der Wein
und Baumoͤl eckelte. Es entſtand
nemlich bey Gelegenheit deſſelben eine
ſolche Vorſtellung in der Seele, welche
mir ſehr zuwider war, und dieſe machte
mir eine Abneigung vor demjenigen,
womit ſie verknuͤpft wurde. Es dauer-
te dahero dieſer Eckel auch nicht laͤnger,
als die Vorſtellung der Einbildungs-
kraft von dem vorigen Geſchmack recht
klar und lebhaft war; ſo bald aber ſel-
bige durch die Laͤnge der Zeit verdunckelt
wurde, ſo hoͤrete auch der Eckel auf.
Darf man nun in aͤhnlichen Faͤllen aͤhn-
liches muthmaſſen; ſo wird die Furcht,
welche viele von ihrer Kindheit her in der
Finſterniß uͤberfaͤllt, und der Abſcheu,
welchen vorerwehnter junger Menſch vor
der Milch hatte, gleichfals von der Ein-
bildungskraft herzuleiten ſeyn, welche
auf eine ſehr dunckele Art diejenige un-
angenehme Empfindung hervorbringet,
welche ehemals mit der Finſterniß und
der Milch vergeſellſchaftet geweſen.
§. 9.
Wir koͤnnen aber auf dieſe Weiſe
nicht nur eine Abneigung vor einer Sa-
che bekommen, ſondern es kan uns auf
gleiche Art auch etwas angenehm wer-
den. Man hat ſchon laͤngſt bemercket,
daß
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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741, S. 256[252]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/288>, abgerufen am 22.11.2024.
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