gewiß zu versichern, daß die bösen Be- gierden bey uns eben so fortgepflantzt wer- den, als ich hier angebe. Jch verlange nur denen zu begegnen, welche leugnen, daß Begierden durch die Zeugung fort- geerbet werden, weil sie keine Art und Weise begreiffen, wie solches möglich sey.
§. 2.
Daß aber böse Begierden mit unsEs wer- den böse Neigun- gen mit uns gebo- ren. geboren werden und unsere Seele durch die Zeugung eine sehr grosse Neigung zum Bösen erhält, will hier nicht weit- läuftig erhärten, sondern einen jeden, der daran zweifelt, auf seine eigene Er- fahrung verweisen. Ein jeder, der auf die ersten Jahre, deren er sich erinnern kan, zurück gehet, wird leicht inne wer- den, daß seine bösen Neigungen nicht bloß von seiner ersten Erziehung und den Gesellschafften, welche er zuerst be- sucht, herrühren. Er wird hiervon ü- berzeugt werden, wenn er sich besinnet, daß, so bald er in den Stand kommen, seine Neigungen sehen zu lassen, sich bey ihm eine grössere Begierde zum Zorn als zur Gelassenheit, eine grös- sere Neigung zur Rache als zur Versöh- nung, ein stärckerer Trieb bey der Faul- heit in Unwissenheit zu bleiben, als durch Fleiß den Verstand mit Wissenschaften
aus-
Q 3
gewiß zu verſichern, daß die boͤſen Be- gierden bey uns eben ſo fortgepflantzt wer- den, als ich hier angebe. Jch verlange nur denen zu begegnen, welche leugnen, daß Begierden durch die Zeugung fort- geerbet werden, weil ſie keine Art und Weiſe begreiffen, wie ſolches moͤglich ſey.
§. 2.
Daß aber boͤſe Begierden mit unsEs wer- den boͤſe Neigun- gen mit uns gebo- ren. geboren werden und unſere Seele durch die Zeugung eine ſehr groſſe Neigung zum Boͤſen erhaͤlt, will hier nicht weit- laͤuftig erhaͤrten, ſondern einen jeden, der daran zweifelt, auf ſeine eigene Er- fahrung verweiſen. Ein jeder, der auf die erſten Jahre, deren er ſich erinnern kan, zuruͤck gehet, wird leicht inne wer- den, daß ſeine boͤſen Neigungen nicht bloß von ſeiner erſten Erziehung und den Geſellſchafften, welche er zuerſt be- ſucht, herruͤhren. Er wird hiervon uͤ- berzeugt werden, wenn er ſich beſinnet, daß, ſo bald er in den Stand kommen, ſeine Neigungen ſehen zu laſſen, ſich bey ihm eine groͤſſere Begierde zum Zorn als zur Gelaſſenheit, eine groͤſ- ſere Neigung zur Rache als zur Verſoͤh- nung, ein ſtaͤrckerer Trieb bey der Faul- heit in Unwiſſenheit zu bleiben, als durch Fleiß den Verſtand mit Wiſſenſchaften
aus-
Q 3
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[245[241]/0277]
gewiß zu verſichern, daß die boͤſen Be-
gierden bey uns eben ſo fortgepflantzt wer-
den, als ich hier angebe. Jch verlange
nur denen zu begegnen, welche leugnen,
daß Begierden durch die Zeugung fort-
geerbet werden, weil ſie keine Art und
Weiſe begreiffen, wie ſolches moͤglich ſey.
§. 2.
Daß aber boͤſe Begierden mit uns
geboren werden und unſere Seele durch
die Zeugung eine ſehr groſſe Neigung
zum Boͤſen erhaͤlt, will hier nicht weit-
laͤuftig erhaͤrten, ſondern einen jeden,
der daran zweifelt, auf ſeine eigene Er-
fahrung verweiſen. Ein jeder, der auf
die erſten Jahre, deren er ſich erinnern
kan, zuruͤck gehet, wird leicht inne wer-
den, daß ſeine boͤſen Neigungen nicht
bloß von ſeiner erſten Erziehung und
den Geſellſchafften, welche er zuerſt be-
ſucht, herruͤhren. Er wird hiervon uͤ-
berzeugt werden, wenn er ſich beſinnet,
daß, ſo bald er in den Stand kommen,
ſeine Neigungen ſehen zu laſſen, ſich
bey ihm eine groͤſſere Begierde zum
Zorn als zur Gelaſſenheit, eine groͤſ-
ſere Neigung zur Rache als zur Verſoͤh-
nung, ein ſtaͤrckerer Trieb bey der Faul-
heit in Unwiſſenheit zu bleiben, als durch
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den boͤſe
Neigun-
gen mit
uns gebo-
ren.
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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741, S. 245[241]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/277>, abgerufen am 22.11.2024.
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