Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741.indem sie alle Mittel ergreiffen werden, ih- ren Beherrscher zu verehren und sich zu vergnügen. Hier wird sich zwar ein hei- liger Eiffer zeigen sich vor andern hervor zu thun, indem keiner der unterste in dem Lobe GOttes und der Tugend wird seyn wollen: aber diesen Eiffer wird kein Neid und Verachtung begleiten, indem diese Dinge nicht nothwendig mit einander verknüpfft, und die Vollkommenheiten der Seligen solche unordentliche Gemüths- Bewegungen nicht zulassen, sondern ein jeder auch darinnen einen Vorzug suchen wird, daß er die andern auf alle ersinnliche und vernünfftige Arth ehret. Denn die- ses ist die Gewohnheit weiser und tugend- haffter Geister. Man sollte zwar meinen, es würde dort bißweilen ein kleiner Neid die Vertraulichkeit der Freundschafft tren- nen, indem, wie wir aus der blossen Er- fahrung in dieser Welt lernen können, die Natur der Dinge nicht zugiebet, daß wir alle mit gleichen Vollkommenheiten pran- gen, also auch in jenem Leben nothwendig einiger Unterschied seyn wird. Aber auch dieses wird dorten nicht zu befürchten seyn. Denn ein solcher Neid trennet nur thörig- te Gemüther: weise und tugendhaffte Seelen
indem ſie alle Mittel ergreiffen werden, ih- ren Beherrſcher zu verehren und ſich zu vergnuͤgen. Hier wird ſich zwar ein hei- liger Eiffer zeigen ſich vor andern hervor zu thun, indem keiner der unterſte in dem Lobe GOttes und der Tugend wird ſeyn wollen: aber dieſen Eiffer wird kein Neid und Verachtung begleiten, indem dieſe Dinge nicht nothwendig mit einander verknuͤpfft, und die Vollkommenheiten der Seligen ſolche unordentliche Gemuͤths- Bewegungen nicht zulaſſen, ſondern ein jeder auch darinnen einen Vorzug ſuchen wird, daß er die andern auf alle erſinnliche und vernuͤnfftige Arth ehret. Denn die- ſes iſt die Gewohnheit weiſer und tugend- haffter Geiſter. Man ſollte zwar meinen, es wuͤrde dort bißweilen ein kleiner Neid die Vertraulichkeit der Freundſchafft tren- nen, indem, wie wir aus der bloſſen Er- fahrung in dieſer Welt lernen koͤnnen, die Natur der Dinge nicht zugiebet, daß wir alle mit gleichen Vollkommenheiten pran- gen, alſo auch in jenem Leben nothwendig einiger Unterſchied ſeyn wird. Aber auch dieſes wird dorten nicht zu befuͤrchten ſeyn. Denn ein ſolcher Neid trennet nur thoͤrig- te Gemuͤther: weiſe und tugendhaffte Seelen
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0170" n="138[134]"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> indem ſie alle Mittel ergreiffen werden, ih-<lb/> ren Beherrſcher zu verehren und ſich zu<lb/> vergnuͤgen. Hier wird ſich zwar ein hei-<lb/> liger Eiffer zeigen ſich vor andern hervor<lb/> zu thun, indem keiner der unterſte in dem<lb/> Lobe GOttes und der Tugend wird ſeyn<lb/> wollen: aber dieſen Eiffer wird kein Neid<lb/> und Verachtung begleiten, indem dieſe<lb/> Dinge nicht nothwendig mit einander<lb/> verknuͤpfft, und die Vollkommenheiten der<lb/> Seligen ſolche unordentliche Gemuͤths-<lb/> Bewegungen nicht zulaſſen, ſondern ein<lb/> jeder auch darinnen einen Vorzug ſuchen<lb/> wird, daß er die andern auf alle erſinnliche<lb/> und vernuͤnfftige Arth ehret. Denn die-<lb/> ſes iſt die Gewohnheit weiſer und tugend-<lb/> haffter Geiſter. Man ſollte zwar meinen,<lb/> es wuͤrde dort bißweilen ein kleiner Neid<lb/> die Vertraulichkeit der Freundſchafft tren-<lb/> nen, indem, wie wir aus der bloſſen Er-<lb/> fahrung in dieſer Welt lernen koͤnnen, die<lb/> Natur der Dinge nicht zugiebet, daß wir<lb/> alle mit gleichen Vollkommenheiten pran-<lb/> gen, alſo auch in jenem Leben nothwendig<lb/> einiger Unterſchied ſeyn wird. Aber auch<lb/> dieſes wird dorten nicht zu befuͤrchten ſeyn.<lb/> Denn ein ſolcher Neid trennet nur thoͤrig-<lb/> te Gemuͤther: weiſe und tugendhaffte<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Seelen</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [138[134]/0170]
indem ſie alle Mittel ergreiffen werden, ih-
ren Beherrſcher zu verehren und ſich zu
vergnuͤgen. Hier wird ſich zwar ein hei-
liger Eiffer zeigen ſich vor andern hervor
zu thun, indem keiner der unterſte in dem
Lobe GOttes und der Tugend wird ſeyn
wollen: aber dieſen Eiffer wird kein Neid
und Verachtung begleiten, indem dieſe
Dinge nicht nothwendig mit einander
verknuͤpfft, und die Vollkommenheiten der
Seligen ſolche unordentliche Gemuͤths-
Bewegungen nicht zulaſſen, ſondern ein
jeder auch darinnen einen Vorzug ſuchen
wird, daß er die andern auf alle erſinnliche
und vernuͤnfftige Arth ehret. Denn die-
ſes iſt die Gewohnheit weiſer und tugend-
haffter Geiſter. Man ſollte zwar meinen,
es wuͤrde dort bißweilen ein kleiner Neid
die Vertraulichkeit der Freundſchafft tren-
nen, indem, wie wir aus der bloſſen Er-
fahrung in dieſer Welt lernen koͤnnen, die
Natur der Dinge nicht zugiebet, daß wir
alle mit gleichen Vollkommenheiten pran-
gen, alſo auch in jenem Leben nothwendig
einiger Unterſchied ſeyn wird. Aber auch
dieſes wird dorten nicht zu befuͤrchten ſeyn.
Denn ein ſolcher Neid trennet nur thoͤrig-
te Gemuͤther: weiſe und tugendhaffte
Seelen
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/170 |
Zitationshilfe: | Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741, S. 138[134]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/170>, abgerufen am 16.02.2025. |