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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741.

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Pilatus dahin bringen, daß er ihn nebst
zwey andern Ubelthätern creutzigen lässet.
Gesetzt GOtt hätte auf solche Arth die
Umstände und Leiden des Heilandes vor-
her verkündigen wollen, würden die Weis-
sagungen wol durch den Erfolg seyn erfül-
let worden? Würden die Pharisäer wol
ihre verfluchten Hände an den Gesalbten
des HErrn gelegt haben? Würde Chri-
stus am Creutze wol Eßig gekostet und die
Erde zu Golgatha sein Blut verschluckt
haben? Würden die Juden wohl geruf-
fen haben: Sein Blut komme über uns
und über unsere Kinder? Gewiß es wür-
de das Volck ehender die Schrifft-Gelehr-
ten getödtet, als zugegeben haben Christum
zu creutzigen, und keiner von den Schrifft-
Gelehrten selbst würde haben das Ansehen
haben wollen, daß er von der gottlosen Rot-
te wäre, von welcher GOtt prophezeihen
lassen. Wäre auch ihr Hertz gleich voll
Galle gewesen über die Straff-Predigten
des Heylandes, so würde doch ihr Mund
lauter süsse Worte gesprochen haben, und
die Weissagungen GOttes zu Lügen wor-
den seyn. Was würde man aber als-
denn von diesen Prophezeihungen geurthei-
let haben? Würden wir heutiges Tages

wohl





Pilatus dahin bringen, daß er ihn nebſt
zwey andern Ubelthaͤtern creutzigen laͤſſet.
Geſetzt GOtt haͤtte auf ſolche Arth die
Umſtaͤnde und Leiden des Heilandes vor-
her verkuͤndigen wollen, wuͤrden die Weiſ-
ſagungen wol durch den Erfolg ſeyn erfuͤl-
let worden? Wuͤrden die Phariſaͤer wol
ihre verfluchten Haͤnde an den Geſalbten
des HErrn gelegt haben? Wuͤrde Chri-
ſtus am Creutze wol Eßig gekoſtet und die
Erde zu Golgatha ſein Blut verſchluckt
haben? Wuͤrden die Juden wohl geruf-
fen haben: Sein Blut komme uͤber uns
und uͤber unſere Kinder? Gewiß es wuͤr-
de das Volck ehender die Schrifft-Gelehr-
ten getoͤdtet, als zugegeben haben Chriſtum
zu creutzigen, und keiner von den Schrifft-
Gelehrten ſelbſt wuͤrde haben das Anſehen
haben wollen, daß er von der gottloſen Rot-
te waͤre, von welcher GOtt prophezeihen
laſſen. Waͤre auch ihr Hertz gleich voll
Galle geweſen uͤber die Straff-Predigten
des Heylandes, ſo wuͤrde doch ihr Mund
lauter ſuͤſſe Worte geſprochen haben, und
die Weiſſagungen GOttes zu Luͤgen wor-
den ſeyn. Was wuͤrde man aber als-
denn von dieſen Prophezeihungen geurthei-
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[74/0110] Pilatus dahin bringen, daß er ihn nebſt zwey andern Ubelthaͤtern creutzigen laͤſſet. Geſetzt GOtt haͤtte auf ſolche Arth die Umſtaͤnde und Leiden des Heilandes vor- her verkuͤndigen wollen, wuͤrden die Weiſ- ſagungen wol durch den Erfolg ſeyn erfuͤl- let worden? Wuͤrden die Phariſaͤer wol ihre verfluchten Haͤnde an den Geſalbten des HErrn gelegt haben? Wuͤrde Chri- ſtus am Creutze wol Eßig gekoſtet und die Erde zu Golgatha ſein Blut verſchluckt haben? Wuͤrden die Juden wohl geruf- fen haben: Sein Blut komme uͤber uns und uͤber unſere Kinder? Gewiß es wuͤr- de das Volck ehender die Schrifft-Gelehr- ten getoͤdtet, als zugegeben haben Chriſtum zu creutzigen, und keiner von den Schrifft- Gelehrten ſelbſt wuͤrde haben das Anſehen haben wollen, daß er von der gottloſen Rot- te waͤre, von welcher GOtt prophezeihen laſſen. Waͤre auch ihr Hertz gleich voll Galle geweſen uͤber die Straff-Predigten des Heylandes, ſo wuͤrde doch ihr Mund lauter ſuͤſſe Worte geſprochen haben, und die Weiſſagungen GOttes zu Luͤgen wor- den ſeyn. Was wuͤrde man aber als- denn von dieſen Prophezeihungen geurthei- let haben? Wuͤrden wir heutiges Tages wohl

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Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/110>, abgerufen am 23.11.2024.