Grunde mit meinen Unsterblichen beschaf- fen war, und bemühte mich glücklich, den Willen des allgewaltigen Schicksals auch zu dem meinigen zu machen.
Lieber, ich habe nichts dagegen, daß es Clarissen, Clementinen, Julien, und sogar heilige Jungfrauen von unbefleckter Empfäng- niß überall gebe: aber, ich bitte, nur kei- nen zu großen Lärm davon! Denn seht, diese erhabenen Einbildungen sind Schuld, daß so viele Menschen verächtlich von denen Weibern denken, die Gott gemacht hat; von Weibern für diese Erde; und nicht für den Mond, wohin diese Herren den Weg suchen. Sie schelten und klagen über Grausamkeiten, Treu- losigkeiten, Abscheulichkeiten, Schandthaten, die sie von ihnen erfuhren; da doch die guten Geschöpfchen mehrentheils nicht einmal wissen, was das für Sachen sind. Toll, daß wir so hart gegen sie verfahren! Lassen wir sie, wie die Natur sie beliebt hat, ohne sie zu Engeln martern und versuchen zu wollen;
Grunde mit meinen Unſterblichen beſchaf- fen war, und bemuͤhte mich gluͤcklich, den Willen des allgewaltigen Schickſals auch zu dem meinigen zu machen.
Lieber, ich habe nichts dagegen, daß es Clariſſen, Clementinen, Julien, und ſogar heilige Jungfrauen von unbefleckter Empfaͤng- niß uͤberall gebe: aber, ich bitte, nur kei- nen zu großen Laͤrm davon! Denn ſeht, dieſe erhabenen Einbildungen ſind Schuld, daß ſo viele Menſchen veraͤchtlich von denen Weibern denken, die Gott gemacht hat; von Weibern fuͤr dieſe Erde; und nicht fuͤr den Mond, wohin dieſe Herren den Weg ſuchen. Sie ſchelten und klagen uͤber Grauſamkeiten, Treu- loſigkeiten, Abſcheulichkeiten, Schandthaten, die ſie von ihnen erfuhren; da doch die guten Geſchoͤpfchen mehrentheils nicht einmal wiſſen, was das fuͤr Sachen ſind. Toll, daß wir ſo hart gegen ſie verfahren! Laſſen wir ſie, wie die Natur ſie beliebt hat, ohne ſie zu Engeln martern und verſuchen zu wollen;
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Grunde mit meinen Unſterblichen beſchaf-
fen war, und bemuͤhte mich gluͤcklich, den
Willen des allgewaltigen Schickſals auch zu
dem meinigen zu machen.
Lieber, ich habe nichts dagegen, daß es
Clariſſen, Clementinen, Julien, und ſogar
heilige Jungfrauen von unbefleckter Empfaͤng-
niß uͤberall gebe: aber, ich bitte, nur kei-
nen zu großen Laͤrm davon! Denn ſeht, dieſe
erhabenen Einbildungen ſind Schuld, daß ſo
viele Menſchen veraͤchtlich von denen Weibern
denken, die Gott gemacht hat; von Weibern
fuͤr dieſe Erde; und nicht fuͤr den Mond,
wohin dieſe Herren den Weg ſuchen. Sie
ſchelten und klagen uͤber Grauſamkeiten, Treu-
loſigkeiten, Abſcheulichkeiten, Schandthaten,
die ſie von ihnen erfuhren; da doch die guten
Geſchoͤpfchen mehrentheils nicht einmal wiſſen,
was das fuͤr Sachen ſind. Toll, daß wir
ſo hart gegen ſie verfahren! Laſſen wir ſie,
wie die Natur ſie beliebt hat, ohne ſie zu
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Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792/76>, abgerufen am 21.11.2024.
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