Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

Hand zum Major, der ihn verheißenermaßen
ganz milde ansah; doch aber zu bemerken nicht
unterließ: er würde ihm wohl müssen ein
Nasen-Futteral machen lassen. Rasch dreht
sich mein Eduard; und zu Wilhelm: "Du
Lügner
!" mit einem so kräftigen Stoße, daß
dieser vier Schritte weit rücklings in einen
Sandtrog tummelte. Der Major entsetzte
sich, und warf den Thäter, als das verächt-
lichste Ungeheuer, von sich.

Dergleichen begab sich alle Tage; aber
Eduards Muth und guten Humor beugte von
dieser Seite nichts. Wenige Menschen haben
mehr Schläge erlitten; denn nie wollte er sie
durch willige Uebernehmung nur der kleinsten
Schmach abkaufen, noch den Unwillen seiner
Vorgesetzten durch Thränen oder Flehen mil-
dern. Er selbst erzählte mir neulich, daß er
einst nahe auf den Tod gegeißelt worden sey,
da sein Präceptor ihn durch Sokratische Fra-
gen zu dem Geständnisse versucht: Prügel
wären Wohlthaten; und er ihn immer

C

Hand zum Major, der ihn verheißenermaßen
ganz milde anſah; doch aber zu bemerken nicht
unterließ: er wuͤrde ihm wohl muͤſſen ein
Naſen-Futteral machen laſſen. Raſch dreht
ſich mein Eduard; und zu Wilhelm: „Du
Luͤgner
!” mit einem ſo kraͤftigen Stoße, daß
dieſer vier Schritte weit ruͤcklings in einen
Sandtrog tummelte. Der Major entſetzte
ſich, und warf den Thaͤter, als das veraͤcht-
lichſte Ungeheuer, von ſich.

Dergleichen begab ſich alle Tage; aber
Eduards Muth und guten Humor beugte von
dieſer Seite nichts. Wenige Menſchen haben
mehr Schlaͤge erlitten; denn nie wollte er ſie
durch willige Uebernehmung nur der kleinſten
Schmach abkaufen, noch den Unwillen ſeiner
Vorgeſetzten durch Thraͤnen oder Flehen mil-
dern. Er ſelbſt erzaͤhlte mir neulich, daß er
einſt nahe auf den Tod gegeißelt worden ſey,
da ſein Praͤceptor ihn durch Sokratiſche Fra-
gen zu dem Geſtaͤndniſſe verſucht: Pruͤgel
waͤren Wohlthaten; und er ihn immer

C
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0071" n="33"/>
Hand zum Major, der ihn verheißenermaßen<lb/>
ganz milde an&#x017F;ah; doch aber zu bemerken nicht<lb/>
unterließ: er wu&#x0364;rde ihm wohl mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en ein<lb/>
Na&#x017F;en-Futteral machen la&#x017F;&#x017F;en. Ra&#x017F;ch dreht<lb/>
&#x017F;ich mein Eduard; und zu Wilhelm: &#x201E;<hi rendition="#g">Du<lb/>
Lu&#x0364;gner</hi>!&#x201D; mit einem &#x017F;o kra&#x0364;ftigen Stoße, daß<lb/>
die&#x017F;er vier Schritte weit ru&#x0364;cklings in einen<lb/>
Sandtrog tummelte. Der Major ent&#x017F;etzte<lb/>
&#x017F;ich, und warf den Tha&#x0364;ter, als das vera&#x0364;cht-<lb/>
lich&#x017F;te Ungeheuer, von &#x017F;ich.</p><lb/>
          <p>Dergleichen begab &#x017F;ich alle Tage; aber<lb/>
Eduards Muth und guten Humor beugte von<lb/>
die&#x017F;er Seite nichts. Wenige Men&#x017F;chen haben<lb/>
mehr Schla&#x0364;ge erlitten; denn nie wollte er &#x017F;ie<lb/>
durch willige Uebernehmung nur der klein&#x017F;ten<lb/>
Schmach abkaufen, noch den Unwillen &#x017F;einer<lb/>
Vorge&#x017F;etzten durch Thra&#x0364;nen oder Flehen mil-<lb/>
dern. Er &#x017F;elb&#x017F;t erza&#x0364;hlte mir neulich, daß er<lb/>
ein&#x017F;t nahe auf den Tod gegeißelt worden &#x017F;ey,<lb/>
da &#x017F;ein Pra&#x0364;ceptor ihn durch Sokrati&#x017F;che Fra-<lb/>
gen zu dem Ge&#x017F;ta&#x0364;ndni&#x017F;&#x017F;e ver&#x017F;ucht: <hi rendition="#fr">Pru&#x0364;gel</hi><lb/>
wa&#x0364;ren <hi rendition="#fr">Wohlthaten</hi>; und er ihn immer<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">C</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[33/0071] Hand zum Major, der ihn verheißenermaßen ganz milde anſah; doch aber zu bemerken nicht unterließ: er wuͤrde ihm wohl muͤſſen ein Naſen-Futteral machen laſſen. Raſch dreht ſich mein Eduard; und zu Wilhelm: „Du Luͤgner!” mit einem ſo kraͤftigen Stoße, daß dieſer vier Schritte weit ruͤcklings in einen Sandtrog tummelte. Der Major entſetzte ſich, und warf den Thaͤter, als das veraͤcht- lichſte Ungeheuer, von ſich. Dergleichen begab ſich alle Tage; aber Eduards Muth und guten Humor beugte von dieſer Seite nichts. Wenige Menſchen haben mehr Schlaͤge erlitten; denn nie wollte er ſie durch willige Uebernehmung nur der kleinſten Schmach abkaufen, noch den Unwillen ſeiner Vorgeſetzten durch Thraͤnen oder Flehen mil- dern. Er ſelbſt erzaͤhlte mir neulich, daß er einſt nahe auf den Tod gegeißelt worden ſey, da ſein Praͤceptor ihn durch Sokratiſche Fra- gen zu dem Geſtaͤndniſſe verſucht: Pruͤgel waͤren Wohlthaten; und er ihn immer C

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792/71
Zitationshilfe: Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792/71>, abgerufen am 19.05.2024.