hin und her liefen, um zu suchen -- was sie nicht verloren hätten. Gern belachte ich mit Ihnen die Thorheit eines solchen geschäftigen Müßiggangs, um lauter Wisserey ohne Wissen. Aber sagen Sie mir, lieber Eduard, ist es eine reellere Sache um das müßige Sammeln von Empfindungen, um das Bestreben, Em- pfindungen -- zu empfinden, Gefühle -- zu fühlen? Findet hier nicht eine viel un- gereimtere Absonderung statt, wie dort beym Wissen? Ich glaube, wer eine schöne große Seele in der That besitzt, hält sich nicht da- mit auf, die Empfindungen, welche seine Handlungen treiben, die entzückenden Ge- fühle, welche sie begleiten, auf solche Weise abzusondern; wird sich ihrer nie dergestalt be- wußt, daß er sie in Vorstellungen aufbewah- ren, und aus ihrer Betrachtung einen unab- hängigen Genuß sich bereiten könnte: er sagt nicht: es ist Seligkeit in dieser Empfindung, in diesem Gefühl, sondern es ist Seligkeit in die- ser That. Und das, Lieber, macht die Bahn des Edlen richtig.
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hin und her liefen, um zu ſuchen — was ſie nicht verloren haͤtten. Gern belachte ich mit Ihnen die Thorheit eines ſolchen geſchaͤftigen Muͤßiggangs, um lauter Wiſſerey ohne Wiſſen. Aber ſagen Sie mir, lieber Eduard, iſt es eine reellere Sache um das muͤßige Sammeln von Empfindungen, um das Beſtreben, Em- pfindungen — zu empfinden, Gefuͤhle — zu fuͤhlen? Findet hier nicht eine viel un- gereimtere Abſonderung ſtatt, wie dort beym Wiſſen? Ich glaube, wer eine ſchoͤne große Seele in der That beſitzt, haͤlt ſich nicht da- mit auf, die Empfindungen, welche ſeine Handlungen treiben, die entzuͤckenden Ge- fuͤhle, welche ſie begleiten, auf ſolche Weiſe abzuſondern; wird ſich ihrer nie dergeſtalt be- wußt, daß er ſie in Vorſtellungen aufbewah- ren, und aus ihrer Betrachtung einen unab- haͤngigen Genuß ſich bereiten koͤnnte: er ſagt nicht: es iſt Seligkeit in dieſer Empfindung, in dieſem Gefuͤhl, ſondern es iſt Seligkeit in die- ſer That. Und das, Lieber, macht die Bahn des Edlen richtig.
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hin und her liefen, um zu ſuchen — was ſie
nicht verloren haͤtten. Gern belachte ich mit
Ihnen die Thorheit eines ſolchen geſchaͤftigen
Muͤßiggangs, um lauter Wiſſerey ohne
Wiſſen. Aber ſagen Sie mir, lieber Eduard, iſt
es eine reellere Sache um das muͤßige Sammeln
von Empfindungen, um das Beſtreben, Em-
pfindungen — zu empfinden, Gefuͤhle
— zu fuͤhlen? Findet hier nicht eine viel un-
gereimtere Abſonderung ſtatt, wie dort beym
Wiſſen? Ich glaube, wer eine ſchoͤne große
Seele in der That beſitzt, haͤlt ſich nicht da-
mit auf, die Empfindungen, welche ſeine
Handlungen treiben, die entzuͤckenden Ge-
fuͤhle, welche ſie begleiten, auf ſolche Weiſe
abzuſondern; wird ſich ihrer nie dergeſtalt be-
wußt, daß er ſie in Vorſtellungen aufbewah-
ren, und aus ihrer Betrachtung einen unab-
haͤngigen Genuß ſich bereiten koͤnnte: er ſagt
nicht: es iſt Seligkeit in dieſer Empfindung, in
dieſem Gefuͤhl, ſondern es iſt Seligkeit in die-
ſer That. Und das, Lieber, macht die Bahn
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Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792/301>, abgerufen am 24.11.2024.
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