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Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792.

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sind; daß ich -- nur ein unbedeutendes, un-
schuldiges Mädchen bin, und daß Unschuld
dem Helden etwas so unnützes, so nichtswür-
diges scheinen muß; daß der Göttliche --
Unschuld verspottet; der Göttliche -- Unschuld
mit Füßen tritt; über sie hin, erhaben, seine
Bahn nimmt.

Unschuld, Eduard! -- lieber Eduard,
Unschuld, Unschuld, Unschuld! -- Er-
wacht keine erste Erinnerung davon in Ihrer
Seele?

Besinnen Sie sich doch -- weit, weit zu-
rück! Dort in der schattichtsten Gegend Ihrer
Seele -- schwebt da nicht etwas noch von
dem Schauder, der Sie ergriff, als ihr offe-
nes Auge enger, Ihre lichte Stirne dunkel
wurde, als das Gewölbe Ihres Busens wich,
Ihr Athem sich verminderte; Stand und Tritt,
Ihr ganzes Wesen schwankte: -- als Un-
schuld
Sie zu verlassen drohte? Und wallet
da nicht in dumpfem Nachhall noch etwas

Q 4

ſind; daß ich — nur ein unbedeutendes, un-
ſchuldiges Maͤdchen bin, und daß Unſchuld
dem Helden etwas ſo unnuͤtzes, ſo nichtswuͤr-
diges ſcheinen muß; daß der Goͤttliche
Unſchuld verſpottet; der Goͤttliche — Unſchuld
mit Fuͤßen tritt; uͤber ſie hin, erhaben, ſeine
Bahn nimmt.

Unſchuld, Eduard! — lieber Eduard,
Unſchuld, Unſchuld, Unſchuld! — Er-
wacht keine erſte Erinnerung davon in Ihrer
Seele?

Beſinnen Sie ſich doch — weit, weit zu-
ruͤck! Dort in der ſchattichtſten Gegend Ihrer
Seele — ſchwebt da nicht etwas noch von
dem Schauder, der Sie ergriff, als ihr offe-
nes Auge enger, Ihre lichte Stirne dunkel
wurde, als das Gewoͤlbe Ihres Buſens wich,
Ihr Athem ſich verminderte; Stand und Tritt,
Ihr ganzes Weſen ſchwankte: — als Un-
ſchuld
Sie zu verlaſſen drohte? Und wallet
da nicht in dumpfem Nachhall noch etwas

Q 4
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[247/0285] ſind; daß ich — nur ein unbedeutendes, un- ſchuldiges Maͤdchen bin, und daß Unſchuld dem Helden etwas ſo unnuͤtzes, ſo nichtswuͤr- diges ſcheinen muß; daß der Goͤttliche — Unſchuld verſpottet; der Goͤttliche — Unſchuld mit Fuͤßen tritt; uͤber ſie hin, erhaben, ſeine Bahn nimmt. Unſchuld, Eduard! — lieber Eduard, Unſchuld, Unſchuld, Unſchuld! — Er- wacht keine erſte Erinnerung davon in Ihrer Seele? Beſinnen Sie ſich doch — weit, weit zu- ruͤck! Dort in der ſchattichtſten Gegend Ihrer Seele — ſchwebt da nicht etwas noch von dem Schauder, der Sie ergriff, als ihr offe- nes Auge enger, Ihre lichte Stirne dunkel wurde, als das Gewoͤlbe Ihres Buſens wich, Ihr Athem ſich verminderte; Stand und Tritt, Ihr ganzes Weſen ſchwankte: — als Un- ſchuld Sie zu verlaſſen drohte? Und wallet da nicht in dumpfem Nachhall noch etwas Q 4

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Zitationshilfe: Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792/285>, abgerufen am 26.11.2024.