Menschen machen wir uns etwas, was sich nirgend findet. Bey dem großen Umfange, den jede Art Character hat, geht das ohne Wunder zu. Unsere Einbildungskraft ist be- reit, uns hundert Plane vorzulegen, um den- jenigen heraus zu wählen, nach welchem die Vorstellung sich am leichtesten und besten aus- führen läßt, die der gegenwärtige Affect sich wünscht. Verschwindet der Affect, und wir überschauen nachher unsere gemachten Be- obachtungen; dann ist kein Mensch, der es besser gewußt hätte, als wir, wenn es uns darum zu thun gewesen wäre.
Uebel wird es mir bekommen, wenn Du Clerdon dies zu lesen giebst. Ich ergebe mich darein; und grüße Du ihn nur von mir recht herzlich, den Papa Allwill.
Menſchen machen wir uns etwas, was ſich nirgend findet. Bey dem großen Umfange, den jede Art Character hat, geht das ohne Wunder zu. Unſere Einbildungskraft iſt be- reit, uns hundert Plane vorzulegen, um den- jenigen heraus zu waͤhlen, nach welchem die Vorſtellung ſich am leichteſten und beſten aus- fuͤhren laͤßt, die der gegenwaͤrtige Affect ſich wuͤnſcht. Verſchwindet der Affect, und wir uͤberſchauen nachher unſere gemachten Be- obachtungen; dann iſt kein Menſch, der es beſſer gewußt haͤtte, als wir, wenn es uns darum zu thun geweſen waͤre.
Uebel wird es mir bekommen, wenn Du Clerdon dies zu leſen giebſt. Ich ergebe mich darein; und gruͤße Du ihn nur von mir recht herzlich, den Papa Allwill.
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Menſchen machen wir uns etwas, was ſich
nirgend findet. Bey dem großen Umfange,
den jede Art Character hat, geht das ohne
Wunder zu. Unſere Einbildungskraft iſt be-
reit, uns hundert Plane vorzulegen, um den-
jenigen heraus zu waͤhlen, nach welchem die
Vorſtellung ſich am leichteſten und beſten aus-
fuͤhren laͤßt, die der gegenwaͤrtige Affect ſich
wuͤnſcht. Verſchwindet der Affect, und wir
uͤberſchauen nachher unſere gemachten Be-
obachtungen; dann iſt kein Menſch, der es
beſſer gewußt haͤtte, als wir, wenn es uns
darum zu thun geweſen waͤre.
Uebel wird es mir bekommen, wenn Du
Clerdon dies zu leſen giebſt. Ich ergebe mich
darein; und gruͤße Du ihn nur von mir recht
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Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792/261>, abgerufen am 23.11.2024.
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