Einbildungskraft des Affects, und weniger als bey andern Menschen ein freyeres Geistes- Vermögen ist. Die Mischung dieser Grundei- genschaften ist in keinem Einzelnen dieselbe; und so haben auch in jedem Einzelnen der Verstand, die Besonnenheit und der Wille ihre eigene Art und Weise. Man kann aber ohne Gefahr annehmen bey dieser Gattung, daß wo der hellere Kopf ist, auch ein höherer Grad der Ruchlosigkeit sich einstellen werde. Bey der Helle des Kopfs wird der Uebergang von der Empfindung zur Reflexion; zur Be- schauung und Wiederbeschauung -- mit Bey- hülfe des Gedächtnisses -- immer schneller, mannichfaltiger, gegenseitiger, durchgreifender, umfassender; bis endlich Anschauung, Betrach- tung und Empfindung jeder Art, von der zur größten Fertigkeit gediehenen Selbstbesinnung, Geistesgegenwärtigkeit und inneren Sammlung, welche die Helden dieser Gattung, selbst in der ärgsten Beklemmung der Leidenschaft, nie ganz verläßt, unaufhörlich nur verschlungen werden, und für sich keine Gewalt und natürliche
Einbildungskraft des Affects, und weniger als bey andern Menſchen ein freyeres Geiſtes- Vermoͤgen iſt. Die Miſchung dieſer Grundei- genſchaften iſt in keinem Einzelnen dieſelbe; und ſo haben auch in jedem Einzelnen der Verſtand, die Beſonnenheit und der Wille ihre eigene Art und Weiſe. Man kann aber ohne Gefahr annehmen bey dieſer Gattung, daß wo der hellere Kopf iſt, auch ein hoͤherer Grad der Ruchloſigkeit ſich einſtellen werde. Bey der Helle des Kopfs wird der Uebergang von der Empfindung zur Reflexion; zur Be- ſchauung und Wiederbeſchauung — mit Bey- huͤlfe des Gedaͤchtniſſes — immer ſchneller, mannichfaltiger, gegenſeitiger, durchgreifender, umfaſſender; bis endlich Anſchauung, Betrach- tung und Empfindung jeder Art, von der zur groͤßten Fertigkeit gediehenen Selbſtbeſinnung, Geiſtesgegenwaͤrtigkeit und inneren Sammlung, welche die Helden dieſer Gattung, ſelbſt in der aͤrgſten Beklemmung der Leidenſchaft, nie ganz verlaͤßt, unaufhoͤrlich nur verſchlungen werden, und fuͤr ſich keine Gewalt und natuͤrliche
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Einbildungskraft des Affects, und weniger als
bey andern Menſchen ein freyeres Geiſtes-
Vermoͤgen iſt. Die Miſchung dieſer Grundei-
genſchaften iſt in keinem Einzelnen dieſelbe;
und ſo haben auch in jedem Einzelnen der
Verſtand, die Beſonnenheit und der Wille ihre
eigene Art und Weiſe. Man kann aber ohne
Gefahr annehmen bey dieſer Gattung,
daß wo der hellere Kopf iſt, auch ein hoͤherer
Grad der Ruchloſigkeit ſich einſtellen werde.
Bey der Helle des Kopfs wird der Uebergang
von der Empfindung zur Reflexion; zur Be-
ſchauung und Wiederbeſchauung — mit Bey-
huͤlfe des Gedaͤchtniſſes — immer ſchneller,
mannichfaltiger, gegenſeitiger, durchgreifender,
umfaſſender; bis endlich Anſchauung, Betrach-
tung und Empfindung jeder Art, von der zur
groͤßten Fertigkeit gediehenen Selbſtbeſinnung,
Geiſtesgegenwaͤrtigkeit und inneren Sammlung,
welche die Helden dieſer Gattung, ſelbſt in der
aͤrgſten Beklemmung der Leidenſchaft, nie ganz
verlaͤßt, unaufhoͤrlich nur verſchlungen werden,
und fuͤr ſich keine Gewalt und natuͤrliche
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Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792/257>, abgerufen am 23.11.2024.
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