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Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792.

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wieder genossen, weil ich einige Tage her un-
päßlich war. Bliebe mein Kopf so dumpf, so
nebelicht, wie diese Zeit über; dann säh' ich
der Verwirrung ein Ende: alles sollte bald
gerichtet und geschlichtet seyn; und was ein-
mal ausgemacht wäre, dabey blieb es. Du
weißt, beym Nebel fließen die Dinge so hübsch
in einander; es erscheinen einem nie
mehrere, als neben einander in Ei-
nem Gliede Platz haben
; keine Farben-
verwirrung, alles grau, alles flach: und sieh,
Bruder, so ist wahrhaftig der Nebel das tref-
fendste Bild weiser Gemüthsfassung.

Wenn mein Geist umnebelt ist, dann bin
ich so altklug, so verständig, wie ein Schul-
meister; dann weiß ich mich über alles zu
bescheiden, und was ich mir heiße, das thue
ich; dann räume ich mein Zimmer auf, bringe
meine Papiere in Ordnung, beantworte alle
Briefe nach dem Datum ihrer Ankunft, und
würde auch mein Testament machen, wenn
ich nur Erben wüßte, die es sich gefallen las-

wieder genoſſen, weil ich einige Tage her un-
paͤßlich war. Bliebe mein Kopf ſo dumpf, ſo
nebelicht, wie dieſe Zeit uͤber; dann ſaͤh' ich
der Verwirrung ein Ende: alles ſollte bald
gerichtet und geſchlichtet ſeyn; und was ein-
mal ausgemacht waͤre, dabey blieb es. Du
weißt, beym Nebel fließen die Dinge ſo huͤbſch
in einander; es erſcheinen einem nie
mehrere, als neben einander in Ei-
nem Gliede Platz haben
; keine Farben-
verwirrung, alles grau, alles flach: und ſieh,
Bruder, ſo iſt wahrhaftig der Nebel das tref-
fendſte Bild weiſer Gemuͤthsfaſſung.

Wenn mein Geiſt umnebelt iſt, dann bin
ich ſo altklug, ſo verſtaͤndig, wie ein Schul-
meiſter; dann weiß ich mich uͤber alles zu
beſcheiden, und was ich mir heiße, das thue
ich; dann raͤume ich mein Zimmer auf, bringe
meine Papiere in Ordnung, beantworte alle
Briefe nach dem Datum ihrer Ankunft, und
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[70/0108] wieder genoſſen, weil ich einige Tage her un- paͤßlich war. Bliebe mein Kopf ſo dumpf, ſo nebelicht, wie dieſe Zeit uͤber; dann ſaͤh' ich der Verwirrung ein Ende: alles ſollte bald gerichtet und geſchlichtet ſeyn; und was ein- mal ausgemacht waͤre, dabey blieb es. Du weißt, beym Nebel fließen die Dinge ſo huͤbſch in einander; es erſcheinen einem nie mehrere, als neben einander in Ei- nem Gliede Platz haben; keine Farben- verwirrung, alles grau, alles flach: und ſieh, Bruder, ſo iſt wahrhaftig der Nebel das tref- fendſte Bild weiſer Gemuͤthsfaſſung. Wenn mein Geiſt umnebelt iſt, dann bin ich ſo altklug, ſo verſtaͤndig, wie ein Schul- meiſter; dann weiß ich mich uͤber alles zu beſcheiden, und was ich mir heiße, das thue ich; dann raͤume ich mein Zimmer auf, bringe meine Papiere in Ordnung, beantworte alle Briefe nach dem Datum ihrer Ankunft, und wuͤrde auch mein Teſtament machen, wenn ich nur Erben wuͤßte, die es ſich gefallen laſ-

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Zitationshilfe: Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792/108>, abgerufen am 23.11.2024.