wieder genossen, weil ich einige Tage her un- päßlich war. Bliebe mein Kopf so dumpf, so nebelicht, wie diese Zeit über; dann säh' ich der Verwirrung ein Ende: alles sollte bald gerichtet und geschlichtet seyn; und was ein- mal ausgemacht wäre, dabey blieb es. Du weißt, beym Nebel fließen die Dinge so hübsch in einander; es erscheinen einem nie mehrere, als neben einander in Ei- nem Gliede Platz haben; keine Farben- verwirrung, alles grau, alles flach: und sieh, Bruder, so ist wahrhaftig der Nebel das tref- fendste Bild weiser Gemüthsfassung.
Wenn mein Geist umnebelt ist, dann bin ich so altklug, so verständig, wie ein Schul- meister; dann weiß ich mich über alles zu bescheiden, und was ich mir heiße, das thue ich; dann räume ich mein Zimmer auf, bringe meine Papiere in Ordnung, beantworte alle Briefe nach dem Datum ihrer Ankunft, und würde auch mein Testament machen, wenn ich nur Erben wüßte, die es sich gefallen las-
wieder genoſſen, weil ich einige Tage her un- paͤßlich war. Bliebe mein Kopf ſo dumpf, ſo nebelicht, wie dieſe Zeit uͤber; dann ſaͤh' ich der Verwirrung ein Ende: alles ſollte bald gerichtet und geſchlichtet ſeyn; und was ein- mal ausgemacht waͤre, dabey blieb es. Du weißt, beym Nebel fließen die Dinge ſo huͤbſch in einander; es erſcheinen einem nie mehrere, als neben einander in Ei- nem Gliede Platz haben; keine Farben- verwirrung, alles grau, alles flach: und ſieh, Bruder, ſo iſt wahrhaftig der Nebel das tref- fendſte Bild weiſer Gemuͤthsfaſſung.
Wenn mein Geiſt umnebelt iſt, dann bin ich ſo altklug, ſo verſtaͤndig, wie ein Schul- meiſter; dann weiß ich mich uͤber alles zu beſcheiden, und was ich mir heiße, das thue ich; dann raͤume ich mein Zimmer auf, bringe meine Papiere in Ordnung, beantworte alle Briefe nach dem Datum ihrer Ankunft, und wuͤrde auch mein Teſtament machen, wenn ich nur Erben wuͤßte, die es ſich gefallen laſ-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0108"n="70"/>
wieder genoſſen, weil ich einige Tage her un-<lb/>
paͤßlich war. Bliebe mein Kopf ſo dumpf, ſo<lb/>
nebelicht, wie dieſe Zeit uͤber; dann ſaͤh' ich<lb/>
der Verwirrung ein Ende: alles ſollte bald<lb/>
gerichtet und geſchlichtet ſeyn; und was ein-<lb/>
mal ausgemacht waͤre, dabey blieb es. Du<lb/>
weißt, beym Nebel fließen die Dinge ſo huͤbſch<lb/>
in einander; <hirendition="#g">es erſcheinen einem nie<lb/>
mehrere, als neben einander in Ei-<lb/>
nem Gliede Platz haben</hi>; keine Farben-<lb/>
verwirrung, alles grau, alles flach: und ſieh,<lb/>
Bruder, ſo iſt wahrhaftig der Nebel das tref-<lb/>
fendſte Bild weiſer Gemuͤthsfaſſung.</p><lb/><p>Wenn mein Geiſt umnebelt iſt, dann bin<lb/>
ich ſo altklug, ſo verſtaͤndig, wie ein Schul-<lb/>
meiſter; dann weiß ich mich uͤber alles zu<lb/>
beſcheiden, und was ich mir heiße, das thue<lb/>
ich; dann raͤume ich mein Zimmer auf, bringe<lb/>
meine Papiere in Ordnung, beantworte alle<lb/>
Briefe nach dem Datum ihrer Ankunft, und<lb/>
wuͤrde auch mein Teſtament machen, wenn<lb/>
ich nur Erben wuͤßte, die es ſich gefallen laſ-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[70/0108]
wieder genoſſen, weil ich einige Tage her un-
paͤßlich war. Bliebe mein Kopf ſo dumpf, ſo
nebelicht, wie dieſe Zeit uͤber; dann ſaͤh' ich
der Verwirrung ein Ende: alles ſollte bald
gerichtet und geſchlichtet ſeyn; und was ein-
mal ausgemacht waͤre, dabey blieb es. Du
weißt, beym Nebel fließen die Dinge ſo huͤbſch
in einander; es erſcheinen einem nie
mehrere, als neben einander in Ei-
nem Gliede Platz haben; keine Farben-
verwirrung, alles grau, alles flach: und ſieh,
Bruder, ſo iſt wahrhaftig der Nebel das tref-
fendſte Bild weiſer Gemuͤthsfaſſung.
Wenn mein Geiſt umnebelt iſt, dann bin
ich ſo altklug, ſo verſtaͤndig, wie ein Schul-
meiſter; dann weiß ich mich uͤber alles zu
beſcheiden, und was ich mir heiße, das thue
ich; dann raͤume ich mein Zimmer auf, bringe
meine Papiere in Ordnung, beantworte alle
Briefe nach dem Datum ihrer Ankunft, und
wuͤrde auch mein Teſtament machen, wenn
ich nur Erben wuͤßte, die es ſich gefallen laſ-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792/108>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.