Du mich nur bitterlicher weinen. Du weißt: Arria lächelte auch. -- Ach, Sylli, Du kannst nicht leben ohne Liebe; und was ist Liebe ohne Zuversicht? Sage was Du willst; Liebe, die sich nicht ewig weiß und ewig erwiedert, das ist keine Liebe; das ist bloßes Ergötzen, dem Du nur, in der Angst, jenen Namen liehest -- Blumenfreude, Schmuck, Tanz und Spiel. Und hieran sollte Dir genügen -- Dir Sylli? -- Seifenblasen zu werfen -- und alles, alles Seifenblase? -- Je mehr ich nachgrübele ...! O, ich fühle, daß es Dir das Herz zersprengen muß.
Lenore.
Auf der Zunge: "Bist Du bald fertig, Clärchen?" trat ich ins Zimmer. Clärchens Anblick hemmte mir Sprache und Gang, und mein Herz hob sich zu dem Schlage, bey dem es einem auf einmal so ganz anders wird. Sie schob, ohne ihre Stellung zu verändern, das Geschriebene mir zu. Nachdem ich es gelesen, hierauf einen Augenblick gesessen hatte, gieng
Du mich nur bitterlicher weinen. Du weißt: Arria laͤchelte auch. — Ach, Sylli, Du kannſt nicht leben ohne Liebe; und was iſt Liebe ohne Zuverſicht? Sage was Du willſt; Liebe, die ſich nicht ewig weiß und ewig erwiedert, das iſt keine Liebe; das iſt bloßes Ergoͤtzen, dem Du nur, in der Angſt, jenen Namen lieheſt — Blumenfreude, Schmuck, Tanz und Spiel. Und hieran ſollte Dir genuͤgen — Dir Sylli? — Seifenblaſen zu werfen — und alles, alles Seifenblaſe? — Je mehr ich nachgruͤbele …! O, ich fuͤhle, daß es Dir das Herz zerſprengen muß.
Lenore.
Auf der Zunge: „Biſt Du bald fertig, Claͤrchen?” trat ich ins Zimmer. Claͤrchens Anblick hemmte mir Sprache und Gang, und mein Herz hob ſich zu dem Schlage, bey dem es einem auf einmal ſo ganz anders wird. Sie ſchob, ohne ihre Stellung zu veraͤndern, das Geſchriebene mir zu. Nachdem ich es geleſen, hierauf einen Augenblick geſeſſen hatte, gieng
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0100"n="62"/>
Du mich nur bitterlicher weinen. Du weißt:<lb/><hirendition="#fr">Arria</hi> laͤchelte auch. — Ach, Sylli, Du kannſt<lb/>
nicht leben ohne Liebe; und was iſt Liebe ohne<lb/>
Zuverſicht? Sage was Du willſt; Liebe, die<lb/>ſich nicht ewig weiß und ewig erwiedert, das<lb/>
iſt keine Liebe; das iſt bloßes Ergoͤtzen, dem<lb/>
Du nur, in der Angſt, jenen Namen lieheſt —<lb/>
Blumenfreude, Schmuck, Tanz und Spiel.<lb/>
Und hieran ſollte Dir genuͤgen — Dir Sylli? —<lb/>
Seifenblaſen zu werfen — und alles, alles<lb/>
Seifenblaſe? — Je mehr ich nachgruͤbele …!<lb/>
O, ich fuͤhle, daß es Dir das Herz zerſprengen<lb/>
muß.</p></div><lb/><divn="3"><head>Lenore.</head><lb/><p>Auf der Zunge: „Biſt Du bald fertig,<lb/>
Claͤrchen?” trat ich ins Zimmer. Claͤrchens<lb/>
Anblick hemmte mir Sprache und Gang, und<lb/>
mein Herz hob ſich zu dem Schlage, bey dem<lb/>
es einem auf einmal ſo ganz anders wird. Sie<lb/>ſchob, ohne ihre Stellung zu veraͤndern, das<lb/>
Geſchriebene mir zu. Nachdem ich es geleſen,<lb/>
hierauf einen Augenblick geſeſſen hatte, gieng<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[62/0100]
Du mich nur bitterlicher weinen. Du weißt:
Arria laͤchelte auch. — Ach, Sylli, Du kannſt
nicht leben ohne Liebe; und was iſt Liebe ohne
Zuverſicht? Sage was Du willſt; Liebe, die
ſich nicht ewig weiß und ewig erwiedert, das
iſt keine Liebe; das iſt bloßes Ergoͤtzen, dem
Du nur, in der Angſt, jenen Namen lieheſt —
Blumenfreude, Schmuck, Tanz und Spiel.
Und hieran ſollte Dir genuͤgen — Dir Sylli? —
Seifenblaſen zu werfen — und alles, alles
Seifenblaſe? — Je mehr ich nachgruͤbele …!
O, ich fuͤhle, daß es Dir das Herz zerſprengen
muß.
Lenore.
Auf der Zunge: „Biſt Du bald fertig,
Claͤrchen?” trat ich ins Zimmer. Claͤrchens
Anblick hemmte mir Sprache und Gang, und
mein Herz hob ſich zu dem Schlage, bey dem
es einem auf einmal ſo ganz anders wird. Sie
ſchob, ohne ihre Stellung zu veraͤndern, das
Geſchriebene mir zu. Nachdem ich es geleſen,
hierauf einen Augenblick geſeſſen hatte, gieng
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792/100>, abgerufen am 18.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.