Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

todt vor dem Richter. Ihr müßt also Euer Ge-
schick schon so nehmen, wie es einmal liegt und
es bis an Euer Lebensende tragen.

Er ging an dem Todtschläger vorüber, gab ihm
den silbernen Ring, da dieser bei näherer Betrach-
tung ihm nichts Merkwürdiges gezeigt hatte, zu-
rück und entfernte sich. Der Geächtete stand be-
troffen, sann über die Verjährung und konnte
darin durchaus keinen Sinn finden. Also, sagte
er endlich, meine Gedanken an die Missethat muß
ich behalten und bis in jene Ewigkeit mit hin-
überschleppen; aber wenn ich mit meinem Fell die
Sache büßen will, so geht das nicht mehr an,
weil dreißig Jahre vorüber sind! --

Ein Lärmen, der ganz in der Nähe entstand,
unterbrach sein Nachsinnen und machte ihn aufmerk-
sam. Kaum zwanzig Schritte vom Kreuzwege
kamen auf dem Wege vom Oberhofe Menschen ge-
laufen und Andere begegneten ihnen, die vom
Hofe des Eidams gegangen kamen. -- Wißt Ihr's
schon? fragten die vom Oberhofe überlaut. --
Was denn? versetzten die Anderen. Ihren Weg
eiligst nach dem Jürgenserbe fortsetzend, riefen Die

Immermann's Münchhausen. 4. Th. 5

todt vor dem Richter. Ihr müßt alſo Euer Ge-
ſchick ſchon ſo nehmen, wie es einmal liegt und
es bis an Euer Lebensende tragen.

Er ging an dem Todtſchläger vorüber, gab ihm
den ſilbernen Ring, da dieſer bei näherer Betrach-
tung ihm nichts Merkwürdiges gezeigt hatte, zu-
rück und entfernte ſich. Der Geächtete ſtand be-
troffen, ſann über die Verjährung und konnte
darin durchaus keinen Sinn finden. Alſo, ſagte
er endlich, meine Gedanken an die Miſſethat muß
ich behalten und bis in jene Ewigkeit mit hin-
überſchleppen; aber wenn ich mit meinem Fell die
Sache büßen will, ſo geht das nicht mehr an,
weil dreißig Jahre vorüber ſind! —

Ein Lärmen, der ganz in der Nähe entſtand,
unterbrach ſein Nachſinnen und machte ihn aufmerk-
ſam. Kaum zwanzig Schritte vom Kreuzwege
kamen auf dem Wege vom Oberhofe Menſchen ge-
laufen und Andere begegneten ihnen, die vom
Hofe des Eidams gegangen kamen. — Wißt Ihr’s
ſchon? fragten die vom Oberhofe überlaut. —
Was denn? verſetzten die Anderen. Ihren Weg
eiligſt nach dem Jürgenserbe fortſetzend, riefen Die

Immermann’s Münchhauſen. 4. Th. 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0077" n="65"/>
todt vor dem Richter. Ihr müßt al&#x017F;o Euer Ge-<lb/>
&#x017F;chick &#x017F;chon &#x017F;o nehmen, wie es einmal liegt und<lb/>
es bis an Euer Lebensende tragen.</p><lb/>
          <p>Er ging an dem Todt&#x017F;chläger vorüber, gab ihm<lb/>
den &#x017F;ilbernen Ring, da die&#x017F;er bei näherer Betrach-<lb/>
tung ihm nichts Merkwürdiges gezeigt hatte, zu-<lb/>
rück und entfernte &#x017F;ich. Der Geächtete &#x017F;tand be-<lb/>
troffen, &#x017F;ann über die Verjährung und konnte<lb/>
darin durchaus keinen Sinn finden. Al&#x017F;o, &#x017F;agte<lb/>
er endlich, meine Gedanken an die Mi&#x017F;&#x017F;ethat muß<lb/>
ich behalten und bis in jene Ewigkeit mit hin-<lb/>
über&#x017F;chleppen; aber wenn ich mit meinem Fell die<lb/>
Sache büßen will, &#x017F;o geht das nicht mehr an,<lb/>
weil dreißig Jahre vorüber &#x017F;ind! &#x2014;</p><lb/>
          <p>Ein Lärmen, der ganz in der Nähe ent&#x017F;tand,<lb/>
unterbrach &#x017F;ein Nach&#x017F;innen und machte ihn aufmerk-<lb/>
&#x017F;am. Kaum zwanzig Schritte vom Kreuzwege<lb/>
kamen auf dem Wege vom Oberhofe Men&#x017F;chen ge-<lb/>
laufen und Andere begegneten ihnen, die vom<lb/>
Hofe des Eidams gegangen kamen. &#x2014; Wißt Ihr&#x2019;s<lb/>
&#x017F;chon? fragten die vom Oberhofe überlaut. &#x2014;<lb/>
Was denn? ver&#x017F;etzten die Anderen. Ihren Weg<lb/>
eilig&#x017F;t nach dem Jürgenserbe fort&#x017F;etzend, riefen Die<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Immermann&#x2019;s Münchhau&#x017F;en. 4. Th. 5</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[65/0077] todt vor dem Richter. Ihr müßt alſo Euer Ge- ſchick ſchon ſo nehmen, wie es einmal liegt und es bis an Euer Lebensende tragen. Er ging an dem Todtſchläger vorüber, gab ihm den ſilbernen Ring, da dieſer bei näherer Betrach- tung ihm nichts Merkwürdiges gezeigt hatte, zu- rück und entfernte ſich. Der Geächtete ſtand be- troffen, ſann über die Verjährung und konnte darin durchaus keinen Sinn finden. Alſo, ſagte er endlich, meine Gedanken an die Miſſethat muß ich behalten und bis in jene Ewigkeit mit hin- überſchleppen; aber wenn ich mit meinem Fell die Sache büßen will, ſo geht das nicht mehr an, weil dreißig Jahre vorüber ſind! — Ein Lärmen, der ganz in der Nähe entſtand, unterbrach ſein Nachſinnen und machte ihn aufmerk- ſam. Kaum zwanzig Schritte vom Kreuzwege kamen auf dem Wege vom Oberhofe Menſchen ge- laufen und Andere begegneten ihnen, die vom Hofe des Eidams gegangen kamen. — Wißt Ihr’s ſchon? fragten die vom Oberhofe überlaut. — Was denn? verſetzten die Anderen. Ihren Weg eiligſt nach dem Jürgenserbe fortſetzend, riefen Die Immermann’s Münchhauſen. 4. Th. 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/77
Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/77>, abgerufen am 25.11.2024.