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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839.

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Clelia eilte mit Lisbeth in das Cabinet. Der
Oberamtmann trat in das Zimmer. -- Ich hörte
hier laut sprechen, sagte er. Die Stimme der
Baronesse unterschied ich und die des Mädchens.
Wo ist Ihre gnädige Frau? Wie steht es?

Ganz vortrefflich, versetzte Fancy mit Emphase.
-- Die sogenannte Braut ist beseitigt, abgemacht,
hinüber. Noch heute Abend reis't sie nach Ham-
burg und wird dort Erzieherin in einer Pension,
mit sechs und fünfzig Thalern Gehalt. Aber, wie
haben auch die gnädige Frau gesprochen! Göttlich,
sage ich Ihnen, Herr Oberamtmann, von Tugend,
Entsagung und uneigennütziger Liebe; Sie würden
Ihr blaues Wunder gehört haben, ich wurde recht
erbaut und faßte gute Vorsätze für mein ganzes
Leben, wenn ich auch einmal sollte das Unglück
haben, daß mich ein junger vornehmer Herr heira-
then wollte. Die Lisbeth bat die Baronesse zuletzt
kniefällig um Verzeihung, daß sie nur im Ernst
an den Grafen gedacht habe. Jetzt ist sie mit
dem Kinde spazieren gegangen, um in der freien
Natur sie zu trösten und sie noch recht in der
Vernunft zu befestigen. Wenn sie aber nach Ham-
burg abgereist ist, dann will sie auch den Herrn

Clelia eilte mit Lisbeth in das Cabinet. Der
Oberamtmann trat in das Zimmer. — Ich hörte
hier laut ſprechen, ſagte er. Die Stimme der
Baroneſſe unterſchied ich und die des Mädchens.
Wo iſt Ihre gnädige Frau? Wie ſteht es?

Ganz vortrefflich, verſetzte Fancy mit Emphaſe.
— Die ſogenannte Braut iſt beſeitigt, abgemacht,
hinüber. Noch heute Abend reiſ’t ſie nach Ham-
burg und wird dort Erzieherin in einer Penſion,
mit ſechs und fünfzig Thalern Gehalt. Aber, wie
haben auch die gnädige Frau geſprochen! Göttlich,
ſage ich Ihnen, Herr Oberamtmann, von Tugend,
Entſagung und uneigennütziger Liebe; Sie würden
Ihr blaues Wunder gehört haben, ich wurde recht
erbaut und faßte gute Vorſätze für mein ganzes
Leben, wenn ich auch einmal ſollte das Unglück
haben, daß mich ein junger vornehmer Herr heira-
then wollte. Die Lisbeth bat die Baroneſſe zuletzt
kniefällig um Verzeihung, daß ſie nur im Ernſt
an den Grafen gedacht habe. Jetzt iſt ſie mit
dem Kinde ſpazieren gegangen, um in der freien
Natur ſie zu tröſten und ſie noch recht in der
Vernunft zu befeſtigen. Wenn ſie aber nach Ham-
burg abgereiſt iſt, dann will ſie auch den Herrn

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[285/0297] Clelia eilte mit Lisbeth in das Cabinet. Der Oberamtmann trat in das Zimmer. — Ich hörte hier laut ſprechen, ſagte er. Die Stimme der Baroneſſe unterſchied ich und die des Mädchens. Wo iſt Ihre gnädige Frau? Wie ſteht es? Ganz vortrefflich, verſetzte Fancy mit Emphaſe. — Die ſogenannte Braut iſt beſeitigt, abgemacht, hinüber. Noch heute Abend reiſ’t ſie nach Ham- burg und wird dort Erzieherin in einer Penſion, mit ſechs und fünfzig Thalern Gehalt. Aber, wie haben auch die gnädige Frau geſprochen! Göttlich, ſage ich Ihnen, Herr Oberamtmann, von Tugend, Entſagung und uneigennütziger Liebe; Sie würden Ihr blaues Wunder gehört haben, ich wurde recht erbaut und faßte gute Vorſätze für mein ganzes Leben, wenn ich auch einmal ſollte das Unglück haben, daß mich ein junger vornehmer Herr heira- then wollte. Die Lisbeth bat die Baroneſſe zuletzt kniefällig um Verzeihung, daß ſie nur im Ernſt an den Grafen gedacht habe. Jetzt iſt ſie mit dem Kinde ſpazieren gegangen, um in der freien Natur ſie zu tröſten und ſie noch recht in der Vernunft zu befeſtigen. Wenn ſie aber nach Ham- burg abgereiſt iſt, dann will ſie auch den Herrn

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/297>, abgerufen am 08.05.2024.