Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

Auch das Mädchen hatte eine Thräne im Auge.
Sie sagte während ihrer Arbeit: Wenn ich sie so
weinen sehe, schäme ich mich meiner Listen, und
doch waren sie nothwendig. Denn hätte ich sie nicht
durch meine Unterwürfigkeit confus gemacht und sie
nicht in die Verlegenheit hineingeputzt, so hätten
Sie, junge gnädige Gräfin, mit ihr einen härteren
Stand bekommen, oder der Herr Oberamtmann
packte die Sache wieder an und dann würden Sie
es nicht durchgesetzt haben. -- Die Fancy ist aber
dankbar. Seien Sie so gütig, dem Herrn Gemahl
zu sagen, die Castellanstochter habe sich für den
alten Vater revanchirt.

Lisbeth verstand nicht, was das Mädchen wollte.
Sie hatte auch nicht Zeit, danach zu fragen, denn
in Clelia's Zimmer hörte sie laut schluchzen und
dann eben so laut lachen und darauf wieder schluch-
zen und so wechselte es immer ab zwischen Lachen
und Schluchzen. Endlich rief es leise und innig
ihren Namen. Als sie in das Zimmer trat, kam
ihr Clelia entgegen, schloß sie in ihre Arme, nannte
sie Cousine und sagte: Du sollst ihn haben.

Die junge liebliche Thörin gehörte zu den glück-
lichen Naturen, die, wenn sie närrische Streiche

Auch das Mädchen hatte eine Thräne im Auge.
Sie ſagte während ihrer Arbeit: Wenn ich ſie ſo
weinen ſehe, ſchäme ich mich meiner Liſten, und
doch waren ſie nothwendig. Denn hätte ich ſie nicht
durch meine Unterwürfigkeit confus gemacht und ſie
nicht in die Verlegenheit hineingeputzt, ſo hätten
Sie, junge gnädige Gräfin, mit ihr einen härteren
Stand bekommen, oder der Herr Oberamtmann
packte die Sache wieder an und dann würden Sie
es nicht durchgeſetzt haben. — Die Fancy iſt aber
dankbar. Seien Sie ſo gütig, dem Herrn Gemahl
zu ſagen, die Caſtellanstochter habe ſich für den
alten Vater revanchirt.

Lisbeth verſtand nicht, was das Mädchen wollte.
Sie hatte auch nicht Zeit, danach zu fragen, denn
in Clelia’s Zimmer hörte ſie laut ſchluchzen und
dann eben ſo laut lachen und darauf wieder ſchluch-
zen und ſo wechſelte es immer ab zwiſchen Lachen
und Schluchzen. Endlich rief es leiſe und innig
ihren Namen. Als ſie in das Zimmer trat, kam
ihr Clelia entgegen, ſchloß ſie in ihre Arme, nannte
ſie Couſine und ſagte: Du ſollſt ihn haben.

Die junge liebliche Thörin gehörte zu den glück-
lichen Naturen, die, wenn ſie närriſche Streiche

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0294" n="282"/>
          <p>Auch das Mädchen hatte eine Thräne im Auge.<lb/>
Sie &#x017F;agte während ihrer Arbeit: Wenn ich &#x017F;ie &#x017F;o<lb/>
weinen &#x017F;ehe, &#x017F;chäme ich mich meiner Li&#x017F;ten, und<lb/>
doch waren &#x017F;ie nothwendig. Denn hätte ich &#x017F;ie nicht<lb/>
durch meine Unterwürfigkeit confus gemacht und &#x017F;ie<lb/>
nicht in die Verlegenheit hineingeputzt, &#x017F;o hätten<lb/>
Sie, junge gnädige Gräfin, mit ihr einen härteren<lb/>
Stand bekommen, oder der Herr Oberamtmann<lb/>
packte die Sache wieder an und dann würden Sie<lb/>
es nicht durchge&#x017F;etzt haben. &#x2014; Die Fancy i&#x017F;t aber<lb/>
dankbar. Seien Sie &#x017F;o gütig, dem Herrn Gemahl<lb/>
zu &#x017F;agen, die Ca&#x017F;tellanstochter habe &#x017F;ich für den<lb/>
alten Vater revanchirt.</p><lb/>
          <p>Lisbeth ver&#x017F;tand nicht, was das Mädchen wollte.<lb/>
Sie hatte auch nicht Zeit, danach zu fragen, denn<lb/>
in Clelia&#x2019;s Zimmer hörte &#x017F;ie laut &#x017F;chluchzen und<lb/>
dann eben &#x017F;o laut lachen und darauf wieder &#x017F;chluch-<lb/>
zen und &#x017F;o wech&#x017F;elte es immer ab zwi&#x017F;chen Lachen<lb/>
und Schluchzen. Endlich rief es lei&#x017F;e und innig<lb/>
ihren Namen. Als &#x017F;ie in das Zimmer trat, kam<lb/>
ihr Clelia entgegen, &#x017F;chloß &#x017F;ie in ihre Arme, nannte<lb/>
&#x017F;ie Cou&#x017F;ine und &#x017F;agte: Du &#x017F;oll&#x017F;t ihn haben.</p><lb/>
          <p>Die junge liebliche Thörin gehörte zu den glück-<lb/>
lichen Naturen, die, wenn &#x017F;ie närri&#x017F;che Streiche<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[282/0294] Auch das Mädchen hatte eine Thräne im Auge. Sie ſagte während ihrer Arbeit: Wenn ich ſie ſo weinen ſehe, ſchäme ich mich meiner Liſten, und doch waren ſie nothwendig. Denn hätte ich ſie nicht durch meine Unterwürfigkeit confus gemacht und ſie nicht in die Verlegenheit hineingeputzt, ſo hätten Sie, junge gnädige Gräfin, mit ihr einen härteren Stand bekommen, oder der Herr Oberamtmann packte die Sache wieder an und dann würden Sie es nicht durchgeſetzt haben. — Die Fancy iſt aber dankbar. Seien Sie ſo gütig, dem Herrn Gemahl zu ſagen, die Caſtellanstochter habe ſich für den alten Vater revanchirt. Lisbeth verſtand nicht, was das Mädchen wollte. Sie hatte auch nicht Zeit, danach zu fragen, denn in Clelia’s Zimmer hörte ſie laut ſchluchzen und dann eben ſo laut lachen und darauf wieder ſchluch- zen und ſo wechſelte es immer ab zwiſchen Lachen und Schluchzen. Endlich rief es leiſe und innig ihren Namen. Als ſie in das Zimmer trat, kam ihr Clelia entgegen, ſchloß ſie in ihre Arme, nannte ſie Couſine und ſagte: Du ſollſt ihn haben. Die junge liebliche Thörin gehörte zu den glück- lichen Naturen, die, wenn ſie närriſche Streiche

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/294
Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/294>, abgerufen am 23.11.2024.