Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

Meinung noch Andere zu lesen bekommen und es
reflectirt mich nicht, wenn sie selbst bis zu dem
Könige getragen wird. Von diesem habe ich nie
etwas zu bitten bedurft, und ich gebrauche ihn
nicht zu meines Leibes Nothdurft. -- Aber voll
Freuden bin ich immer gewesen, sein Unterthan
zu seyn wie ein geborener Fürst und mein Herz
habe ich an ihm erfrischet all mein Lebtage.

Leuchtend waren die hellblauen Augen des Hof-
schulzen während des letzten Theils dieser Rede
geworden, seine weißen Haare hatten sich wie
Flammen emporgerichtet, die Gestalt stand wieder
groß und gerade da. Der Richter sah vor sich
nieder, der Diaconus dem Alten in das Antlitz;
er gemahnte ihn wie ein Prophet des alten Bun-
des. Mit höflicher Verbeugung und stillem Gruß
entfernte sich der alte Bauer.

Der Diaconus folgte ihm tiefbewegt. Draußen
holte er ihn ein, legte ihm die Hand auf die Schulter,
schüttelte seine Rechte und sagte ergriffen und gerührt:
Ihr habt mich erbaut, Hofschulze. Jetzt aber will ich
als Euer Seelsorger und Priester Euch erbauen.

Der Alte war im Vorsaale schon wieder der
schlichte Bauer geworden, der krank und angegriffen

Meinung noch Andere zu leſen bekommen und es
reflectirt mich nicht, wenn ſie ſelbſt bis zu dem
Könige getragen wird. Von dieſem habe ich nie
etwas zu bitten bedurft, und ich gebrauche ihn
nicht zu meines Leibes Nothdurft. — Aber voll
Freuden bin ich immer geweſen, ſein Unterthan
zu ſeyn wie ein geborener Fürſt und mein Herz
habe ich an ihm erfriſchet all mein Lebtage.

Leuchtend waren die hellblauen Augen des Hof-
ſchulzen während des letzten Theils dieſer Rede
geworden, ſeine weißen Haare hatten ſich wie
Flammen emporgerichtet, die Geſtalt ſtand wieder
groß und gerade da. Der Richter ſah vor ſich
nieder, der Diaconus dem Alten in das Antlitz;
er gemahnte ihn wie ein Prophet des alten Bun-
des. Mit höflicher Verbeugung und ſtillem Gruß
entfernte ſich der alte Bauer.

Der Diaconus folgte ihm tiefbewegt. Draußen
holte er ihn ein, legte ihm die Hand auf die Schulter,
ſchüttelte ſeine Rechte und ſagte ergriffen und gerührt:
Ihr habt mich erbaut, Hofſchulze. Jetzt aber will ich
als Euer Seelſorger und Prieſter Euch erbauen.

Der Alte war im Vorſaale ſchon wieder der
ſchlichte Bauer geworden, der krank und angegriffen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0257" n="245"/>
Meinung noch Andere zu le&#x017F;en bekommen und es<lb/>
reflectirt mich nicht, wenn &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t bis zu dem<lb/>
Könige getragen wird. Von die&#x017F;em habe ich nie<lb/>
etwas zu bitten bedurft, und ich gebrauche ihn<lb/>
nicht zu meines Leibes Nothdurft. &#x2014; Aber voll<lb/>
Freuden bin ich immer gewe&#x017F;en, &#x017F;ein Unterthan<lb/>
zu &#x017F;eyn wie ein geborener Für&#x017F;t und mein Herz<lb/>
habe ich an ihm erfri&#x017F;chet all mein Lebtage.</p><lb/>
          <p>Leuchtend waren die hellblauen Augen des Hof-<lb/>
&#x017F;chulzen während des letzten Theils die&#x017F;er Rede<lb/>
geworden, &#x017F;eine weißen Haare hatten &#x017F;ich wie<lb/>
Flammen emporgerichtet, die Ge&#x017F;talt &#x017F;tand wieder<lb/>
groß und gerade da. Der Richter &#x017F;ah vor &#x017F;ich<lb/>
nieder, der Diaconus dem Alten in das Antlitz;<lb/>
er gemahnte ihn wie ein Prophet des alten Bun-<lb/>
des. Mit höflicher Verbeugung und &#x017F;tillem Gruß<lb/>
entfernte &#x017F;ich der alte Bauer.</p><lb/>
          <p>Der Diaconus folgte ihm tiefbewegt. Draußen<lb/>
holte er ihn ein, legte ihm die Hand auf die Schulter,<lb/>
&#x017F;chüttelte &#x017F;eine Rechte und &#x017F;agte ergriffen und gerührt:<lb/>
Ihr habt mich erbaut, Hof&#x017F;chulze. Jetzt aber will <hi rendition="#g">ich</hi><lb/>
als Euer Seel&#x017F;orger und Prie&#x017F;ter <hi rendition="#g">Euch</hi> erbauen.</p><lb/>
          <p>Der Alte war im Vor&#x017F;aale &#x017F;chon wieder der<lb/>
&#x017F;chlichte Bauer geworden, der krank und angegriffen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[245/0257] Meinung noch Andere zu leſen bekommen und es reflectirt mich nicht, wenn ſie ſelbſt bis zu dem Könige getragen wird. Von dieſem habe ich nie etwas zu bitten bedurft, und ich gebrauche ihn nicht zu meines Leibes Nothdurft. — Aber voll Freuden bin ich immer geweſen, ſein Unterthan zu ſeyn wie ein geborener Fürſt und mein Herz habe ich an ihm erfriſchet all mein Lebtage. Leuchtend waren die hellblauen Augen des Hof- ſchulzen während des letzten Theils dieſer Rede geworden, ſeine weißen Haare hatten ſich wie Flammen emporgerichtet, die Geſtalt ſtand wieder groß und gerade da. Der Richter ſah vor ſich nieder, der Diaconus dem Alten in das Antlitz; er gemahnte ihn wie ein Prophet des alten Bun- des. Mit höflicher Verbeugung und ſtillem Gruß entfernte ſich der alte Bauer. Der Diaconus folgte ihm tiefbewegt. Draußen holte er ihn ein, legte ihm die Hand auf die Schulter, ſchüttelte ſeine Rechte und ſagte ergriffen und gerührt: Ihr habt mich erbaut, Hofſchulze. Jetzt aber will ich als Euer Seelſorger und Prieſter Euch erbauen. Der Alte war im Vorſaale ſchon wieder der ſchlichte Bauer geworden, der krank und angegriffen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/257
Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/257>, abgerufen am 24.11.2024.