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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839.

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sie dann, bevor er selbst anbiß, was sie wohl
davon denke, daß er sich hier so häuslich nieder-
lasse und sein Mittagsessen im Freien halte?

Ja, was soll ich davon denken? erwiederte die
Magd. -- Ich denke, es giebt hin und wieder
curiose Einfälle, die dem Menschen anwehen, wie
der Wind.

Du denkst das vermuthlich nur, Gudel, weil
wir uns hier im Winde befinden, der allerdings
einigermaßen stark durch das Spritzenhäuschen hin-
durch zieht. Nicht ein bloßer curioser Einfall ist
es von mir, im Freien hier mir gehörig decken
zu lassen, sondern lange hatte ich mir vorgenommen
und nur immer nicht der Gelegenheit dazu hab-
haft werden können, einmal Hochzeitfreude ohne
den lästigen Zwang, den mir mein Stand aufer-
legt, zu genießen. Es war dieses mein dritter
und größter Lebenswunsch. Denn wohl mag Man-
cher, der draußen umherschleicht, den Küster benei-
den, daß er sich an der Hochzeittafel so vollstopfen
kann, wie Jener denkt, weil er nahe der Schüssel
sitzt, und ihm unter den Ersten stäts präsentirt
wird. Aber die Bürde des Amtes beachtet der
oberflächliche Urtheiler nicht! Keinen beschäftigteren

ſie dann, bevor er ſelbſt anbiß, was ſie wohl
davon denke, daß er ſich hier ſo häuslich nieder-
laſſe und ſein Mittagseſſen im Freien halte?

Ja, was ſoll ich davon denken? erwiederte die
Magd. — Ich denke, es giebt hin und wieder
curioſe Einfälle, die dem Menſchen anwehen, wie
der Wind.

Du denkſt das vermuthlich nur, Gudel, weil
wir uns hier im Winde befinden, der allerdings
einigermaßen ſtark durch das Spritzenhäuschen hin-
durch zieht. Nicht ein bloßer curioſer Einfall iſt
es von mir, im Freien hier mir gehörig decken
zu laſſen, ſondern lange hatte ich mir vorgenommen
und nur immer nicht der Gelegenheit dazu hab-
haft werden können, einmal Hochzeitfreude ohne
den läſtigen Zwang, den mir mein Stand aufer-
legt, zu genießen. Es war dieſes mein dritter
und größter Lebenswunſch. Denn wohl mag Man-
cher, der draußen umherſchleicht, den Küſter benei-
den, daß er ſich an der Hochzeittafel ſo vollſtopfen
kann, wie Jener denkt, weil er nahe der Schüſſel
ſitzt, und ihm unter den Erſten ſtäts präſentirt
wird. Aber die Bürde des Amtes beachtet der
oberflächliche Urtheiler nicht! Keinen beſchäftigteren

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[155/0167] ſie dann, bevor er ſelbſt anbiß, was ſie wohl davon denke, daß er ſich hier ſo häuslich nieder- laſſe und ſein Mittagseſſen im Freien halte? Ja, was ſoll ich davon denken? erwiederte die Magd. — Ich denke, es giebt hin und wieder curioſe Einfälle, die dem Menſchen anwehen, wie der Wind. Du denkſt das vermuthlich nur, Gudel, weil wir uns hier im Winde befinden, der allerdings einigermaßen ſtark durch das Spritzenhäuschen hin- durch zieht. Nicht ein bloßer curioſer Einfall iſt es von mir, im Freien hier mir gehörig decken zu laſſen, ſondern lange hatte ich mir vorgenommen und nur immer nicht der Gelegenheit dazu hab- haft werden können, einmal Hochzeitfreude ohne den läſtigen Zwang, den mir mein Stand aufer- legt, zu genießen. Es war dieſes mein dritter und größter Lebenswunſch. Denn wohl mag Man- cher, der draußen umherſchleicht, den Küſter benei- den, daß er ſich an der Hochzeittafel ſo vollſtopfen kann, wie Jener denkt, weil er nahe der Schüſſel ſitzt, und ihm unter den Erſten ſtäts präſentirt wird. Aber die Bürde des Amtes beachtet der oberflächliche Urtheiler nicht! Keinen beſchäftigteren

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/167>, abgerufen am 03.05.2024.