Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

Agesel. Die Magd hatte wohl von den Einbil-
dungen des Schulmeisters vernommen, da sie aber
zu den muthvollen Personen ihres Geschlechtes ge-
hörte, so fürchtete sie sich nicht vor ihrem Beglei-
ter, vielmehr war es ihr lieb, Gesellschaft zu
finden. Der Schulmeister seinerseits war erfreut,
die Magd zu finden, denn er wollte an ihren
Herrn, nicht ihm ein Leid zuzufügen, sondern den
Läugner von seinen gesunden Verstandeskräften zu
überzeugen. Nachdem er im Allgemeinen über diesen
Punct mit der Magd gesprochen hatte, sagte er zu
ihr: Es ist ja mein offenbarer Schaden und eine Sache,
die mir mein ganzes Brod und den Credit in der
Bauerschaft verderben kann, wenn der Küster, der
noch dazu ein halber Amtsbruder von mir ist, überall
umherläuft und mich bei den Leuten anschwärzt.
Deßhalb muß ich ihn nothwendig davon überzeugen,
daß ich meine fünf Sinne beisammen habe.

Natürlich, versetzte die Magd. Wenn mich
Einer eine Diebin schilt, so muß er auch hören
können, warum ich keine Diebin bin.

Nun also! fuhr der Schulmeister eifrig fort.
und heute muß es geschehen, denn die Gelegenheit
kommt mir nie so günstig wieder.


Ageſel. Die Magd hatte wohl von den Einbil-
dungen des Schulmeiſters vernommen, da ſie aber
zu den muthvollen Perſonen ihres Geſchlechtes ge-
hörte, ſo fürchtete ſie ſich nicht vor ihrem Beglei-
ter, vielmehr war es ihr lieb, Geſellſchaft zu
finden. Der Schulmeiſter ſeinerſeits war erfreut,
die Magd zu finden, denn er wollte an ihren
Herrn, nicht ihm ein Leid zuzufügen, ſondern den
Läugner von ſeinen geſunden Verſtandeskräften zu
überzeugen. Nachdem er im Allgemeinen über dieſen
Punct mit der Magd geſprochen hatte, ſagte er zu
ihr: Es iſt ja mein offenbarer Schaden und eine Sache,
die mir mein ganzes Brod und den Credit in der
Bauerſchaft verderben kann, wenn der Küſter, der
noch dazu ein halber Amtsbruder von mir iſt, überall
umherläuft und mich bei den Leuten anſchwärzt.
Deßhalb muß ich ihn nothwendig davon überzeugen,
daß ich meine fünf Sinne beiſammen habe.

Natürlich, verſetzte die Magd. Wenn mich
Einer eine Diebin ſchilt, ſo muß er auch hören
können, warum ich keine Diebin bin.

Nun alſo! fuhr der Schulmeiſter eifrig fort.
und heute muß es geſchehen, denn die Gelegenheit
kommt mir nie ſo günſtig wieder.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0156" n="144"/>
Age&#x017F;el. Die Magd hatte wohl von den Einbil-<lb/>
dungen des Schulmei&#x017F;ters vernommen, da &#x017F;ie aber<lb/>
zu den muthvollen Per&#x017F;onen ihres Ge&#x017F;chlechtes ge-<lb/>
hörte, &#x017F;o fürchtete &#x017F;ie &#x017F;ich nicht vor ihrem Beglei-<lb/>
ter, vielmehr war es ihr lieb, Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft zu<lb/>
finden. Der Schulmei&#x017F;ter &#x017F;einer&#x017F;eits war erfreut,<lb/>
die Magd zu finden, denn er wollte an ihren<lb/>
Herrn, nicht ihm ein Leid zuzufügen, &#x017F;ondern den<lb/>
Läugner von &#x017F;einen ge&#x017F;unden Ver&#x017F;tandeskräften zu<lb/>
überzeugen. Nachdem er im Allgemeinen über die&#x017F;en<lb/>
Punct mit der Magd ge&#x017F;prochen hatte, &#x017F;agte er zu<lb/>
ihr: Es i&#x017F;t ja mein offenbarer Schaden und eine Sache,<lb/>
die mir mein ganzes Brod und den Credit in der<lb/>
Bauer&#x017F;chaft verderben kann, wenn der Kü&#x017F;ter, der<lb/>
noch dazu ein halber Amtsbruder von mir i&#x017F;t, überall<lb/>
umherläuft und mich bei den Leuten an&#x017F;chwärzt.<lb/>
Deßhalb muß ich ihn nothwendig davon überzeugen,<lb/>
daß ich meine fünf Sinne bei&#x017F;ammen habe.</p><lb/>
          <p>Natürlich, ver&#x017F;etzte die Magd. Wenn mich<lb/>
Einer eine Diebin &#x017F;chilt, &#x017F;o muß er auch hören<lb/>
können, warum ich keine Diebin bin.</p><lb/>
          <p>Nun al&#x017F;o! fuhr der Schulmei&#x017F;ter eifrig fort.<lb/>
und heute muß es ge&#x017F;chehen, denn die Gelegenheit<lb/>
kommt mir nie &#x017F;o gün&#x017F;tig wieder.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[144/0156] Ageſel. Die Magd hatte wohl von den Einbil- dungen des Schulmeiſters vernommen, da ſie aber zu den muthvollen Perſonen ihres Geſchlechtes ge- hörte, ſo fürchtete ſie ſich nicht vor ihrem Beglei- ter, vielmehr war es ihr lieb, Geſellſchaft zu finden. Der Schulmeiſter ſeinerſeits war erfreut, die Magd zu finden, denn er wollte an ihren Herrn, nicht ihm ein Leid zuzufügen, ſondern den Läugner von ſeinen geſunden Verſtandeskräften zu überzeugen. Nachdem er im Allgemeinen über dieſen Punct mit der Magd geſprochen hatte, ſagte er zu ihr: Es iſt ja mein offenbarer Schaden und eine Sache, die mir mein ganzes Brod und den Credit in der Bauerſchaft verderben kann, wenn der Küſter, der noch dazu ein halber Amtsbruder von mir iſt, überall umherläuft und mich bei den Leuten anſchwärzt. Deßhalb muß ich ihn nothwendig davon überzeugen, daß ich meine fünf Sinne beiſammen habe. Natürlich, verſetzte die Magd. Wenn mich Einer eine Diebin ſchilt, ſo muß er auch hören können, warum ich keine Diebin bin. Nun alſo! fuhr der Schulmeiſter eifrig fort. und heute muß es geſchehen, denn die Gelegenheit kommt mir nie ſo günſtig wieder.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/156
Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/156>, abgerufen am 03.05.2024.