Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

sagte der Hofschulze so mühsam und stockend, daß
jedes Wort sich wie von Klammern in seiner Brust
loszuringen schien. Er ließ den Gast vorangehen
und folgte ihm mit schweren und dröhnenden
Schritten.

Als sie oben in die Kammer eingetreten waren,
schob der Hofschulze den Riegel vor das Schloß
und warf seinen lichtblauen Feiertagsrock ab. Dann
reckte er seine Glieder und die ganze Gestalt wuchs
wieder wie damals, als er im Mondschein den
Jäger warnte, an die Geheimnisse des Schwertes
zu rühren. Er wiegte die Arme und Fäuste,
gleichsam um ihre Kraft zu prüfen, hin und her.

Oswald, durch dessen Seele eine finstere Ahnung
flog, sagte nicht ohne Schauder: Was soll das?

Der Alte zog die buschichten Brauen in die
Höhe und versetzte kalt: Einer von uns Beiden
verläßt diese Kammer nicht lebend.

Was! rief Oswald entsetzt. Ihr wollt mich
ermorden? Zum Meuchelmörder wollt Ihr an
Eurem Gaste werden?

Keinesweges, sagte der Hofschulze ruhig wie
in guten Tagen. Sondern es soll Alles mit der

9*

ſagte der Hofſchulze ſo mühſam und ſtockend, daß
jedes Wort ſich wie von Klammern in ſeiner Bruſt
loszuringen ſchien. Er ließ den Gaſt vorangehen
und folgte ihm mit ſchweren und dröhnenden
Schritten.

Als ſie oben in die Kammer eingetreten waren,
ſchob der Hofſchulze den Riegel vor das Schloß
und warf ſeinen lichtblauen Feiertagsrock ab. Dann
reckte er ſeine Glieder und die ganze Geſtalt wuchs
wieder wie damals, als er im Mondſchein den
Jäger warnte, an die Geheimniſſe des Schwertes
zu rühren. Er wiegte die Arme und Fäuſte,
gleichſam um ihre Kraft zu prüfen, hin und her.

Oswald, durch deſſen Seele eine finſtere Ahnung
flog, ſagte nicht ohne Schauder: Was ſoll das?

Der Alte zog die buſchichten Brauen in die
Höhe und verſetzte kalt: Einer von uns Beiden
verläßt dieſe Kammer nicht lebend.

Was! rief Oswald entſetzt. Ihr wollt mich
ermorden? Zum Meuchelmörder wollt Ihr an
Eurem Gaſte werden?

Keinesweges, ſagte der Hofſchulze ruhig wie
in guten Tagen. Sondern es ſoll Alles mit der

9*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0143" n="131"/>
&#x017F;agte der Hof&#x017F;chulze &#x017F;o müh&#x017F;am und &#x017F;tockend, daß<lb/>
jedes Wort &#x017F;ich wie von Klammern in &#x017F;einer Bru&#x017F;t<lb/>
loszuringen &#x017F;chien. Er ließ den Ga&#x017F;t vorangehen<lb/>
und folgte ihm mit &#x017F;chweren und dröhnenden<lb/>
Schritten.</p><lb/>
          <p>Als &#x017F;ie oben in die Kammer eingetreten waren,<lb/>
&#x017F;chob der Hof&#x017F;chulze den Riegel vor das Schloß<lb/>
und warf &#x017F;einen lichtblauen Feiertagsrock ab. Dann<lb/>
reckte er &#x017F;eine Glieder und die ganze Ge&#x017F;talt wuchs<lb/>
wieder wie damals, als er im Mond&#x017F;chein den<lb/>
Jäger warnte, an die Geheimni&#x017F;&#x017F;e des Schwertes<lb/>
zu rühren. Er wiegte die Arme und Fäu&#x017F;te,<lb/>
gleich&#x017F;am um ihre Kraft zu prüfen, hin und her.</p><lb/>
          <p>Oswald, durch de&#x017F;&#x017F;en Seele eine fin&#x017F;tere Ahnung<lb/>
flog, &#x017F;agte nicht ohne Schauder: Was &#x017F;oll das?</p><lb/>
          <p>Der Alte zog die bu&#x017F;chichten Brauen in die<lb/>
Höhe und ver&#x017F;etzte kalt: Einer von uns Beiden<lb/>
verläßt die&#x017F;e Kammer nicht lebend.</p><lb/>
          <p>Was! rief Oswald ent&#x017F;etzt. Ihr wollt mich<lb/>
ermorden? Zum Meuchelmörder wollt Ihr an<lb/>
Eurem Ga&#x017F;te werden?</p><lb/>
          <p>Keinesweges, &#x017F;agte der Hof&#x017F;chulze ruhig wie<lb/>
in guten Tagen. Sondern es &#x017F;oll Alles mit der<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">9*</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[131/0143] ſagte der Hofſchulze ſo mühſam und ſtockend, daß jedes Wort ſich wie von Klammern in ſeiner Bruſt loszuringen ſchien. Er ließ den Gaſt vorangehen und folgte ihm mit ſchweren und dröhnenden Schritten. Als ſie oben in die Kammer eingetreten waren, ſchob der Hofſchulze den Riegel vor das Schloß und warf ſeinen lichtblauen Feiertagsrock ab. Dann reckte er ſeine Glieder und die ganze Geſtalt wuchs wieder wie damals, als er im Mondſchein den Jäger warnte, an die Geheimniſſe des Schwertes zu rühren. Er wiegte die Arme und Fäuſte, gleichſam um ihre Kraft zu prüfen, hin und her. Oswald, durch deſſen Seele eine finſtere Ahnung flog, ſagte nicht ohne Schauder: Was ſoll das? Der Alte zog die buſchichten Brauen in die Höhe und verſetzte kalt: Einer von uns Beiden verläßt dieſe Kammer nicht lebend. Was! rief Oswald entſetzt. Ihr wollt mich ermorden? Zum Meuchelmörder wollt Ihr an Eurem Gaſte werden? Keinesweges, ſagte der Hofſchulze ruhig wie in guten Tagen. Sondern es ſoll Alles mit der 9*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/143
Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/143>, abgerufen am 05.05.2024.