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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839.

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Wäre dieser unschädliche Acker- und Staats-
bürger wirklich der Freiherr von Münchhausen, so
hätte sich in unserer lehrreichen Geschichte gerade
das Gegentheil von dem ereignet, was in anderen
Geschichten vorzukommen pflegt. Denn in denen
werden meistens alle Vernünftige toll, in der
unsrigen aber wären durch tüchtige Eingriffe des
Lebens, sei es mittelst Nichtachtens auf die Schrolle,
sei es mittelst Fallens auf den Kopf, oder mittelst
Wiedererscheinens einer alten Geliebten, alle Tollen
oder Halbtollen vernünftig geworden. Gewiß ein
tröstlicher Ausgang!

Mit Wehmuth wende ich mich zu Ihrer Frage
nach Karl Buttervogel. Dieser practische Charak-
ter ist leider an seiner einzigen Schwäche unter-
gegangen, er starb nämlich am Uebermaaß von
Gründen. Das ging so zu. Bald nach dem Ver-
lassen des münchhausen'schen Dienstes fand er eine
neue Herrschaft, bei welcher er auch mit Pferden
umgehen mußte, d. h. er wurde zugleich Kutscher.
Einstmals fuhr er nun in einem holprichten Wege
so schlecht, daß ihn sein Herr heftig anließ und
ihn fragte, warum er nicht im Geleise bleibe?
Karl hätte hierauf einfach antworten sollen, daß

Wäre dieſer unſchädliche Acker- und Staats-
bürger wirklich der Freiherr von Münchhauſen, ſo
hätte ſich in unſerer lehrreichen Geſchichte gerade
das Gegentheil von dem ereignet, was in anderen
Geſchichten vorzukommen pflegt. Denn in denen
werden meiſtens alle Vernünftige toll, in der
unſrigen aber wären durch tüchtige Eingriffe des
Lebens, ſei es mittelſt Nichtachtens auf die Schrolle,
ſei es mittelſt Fallens auf den Kopf, oder mittelſt
Wiedererſcheinens einer alten Geliebten, alle Tollen
oder Halbtollen vernünftig geworden. Gewiß ein
tröſtlicher Ausgang!

Mit Wehmuth wende ich mich zu Ihrer Frage
nach Karl Buttervogel. Dieſer practiſche Charak-
ter iſt leider an ſeiner einzigen Schwäche unter-
gegangen, er ſtarb nämlich am Uebermaaß von
Gründen. Das ging ſo zu. Bald nach dem Ver-
laſſen des münchhauſen’ſchen Dienſtes fand er eine
neue Herrſchaft, bei welcher er auch mit Pferden
umgehen mußte, d. h. er wurde zugleich Kutſcher.
Einſtmals fuhr er nun in einem holprichten Wege
ſo ſchlecht, daß ihn ſein Herr heftig anließ und
ihn fragte, warum er nicht im Geleiſe bleibe?
Karl hätte hierauf einfach antworten ſollen, daß

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[301/0313] Wäre dieſer unſchädliche Acker- und Staats- bürger wirklich der Freiherr von Münchhauſen, ſo hätte ſich in unſerer lehrreichen Geſchichte gerade das Gegentheil von dem ereignet, was in anderen Geſchichten vorzukommen pflegt. Denn in denen werden meiſtens alle Vernünftige toll, in der unſrigen aber wären durch tüchtige Eingriffe des Lebens, ſei es mittelſt Nichtachtens auf die Schrolle, ſei es mittelſt Fallens auf den Kopf, oder mittelſt Wiedererſcheinens einer alten Geliebten, alle Tollen oder Halbtollen vernünftig geworden. Gewiß ein tröſtlicher Ausgang! Mit Wehmuth wende ich mich zu Ihrer Frage nach Karl Buttervogel. Dieſer practiſche Charak- ter iſt leider an ſeiner einzigen Schwäche unter- gegangen, er ſtarb nämlich am Uebermaaß von Gründen. Das ging ſo zu. Bald nach dem Ver- laſſen des münchhauſen’ſchen Dienſtes fand er eine neue Herrſchaft, bei welcher er auch mit Pferden umgehen mußte, d. h. er wurde zugleich Kutſcher. Einſtmals fuhr er nun in einem holprichten Wege ſo ſchlecht, daß ihn ſein Herr heftig anließ und ihn fragte, warum er nicht im Geleiſe bleibe? Karl hätte hierauf einfach antworten ſollen, daß

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/313>, abgerufen am 27.11.2024.