aus, wenn er ihm begegnete. Aber nach der Lin- nenkammer war er oft unterweges, worin er die Mädchen plaudern hörte, und worin Lisbeth still half. Hatte er aber die Klinke in der Hand um aufzudrücken, dann überzog sein Antlitz dunkle Gluth, er wandte sich stolz und ging trotzig, wie ein Löwe, die Treppe hinunter, zum Hofe hinaus, weit, weit in das Feld, ohne sich umzusehen.
Die glückselige Zeit begann, wenn Lisbeth von ihrer Arbeit ruhte und frische Luft schöpfte. Dann war es gewiß, daß Beide zusammentrafen, der Jä- ger und sie. Und wäre er noch so weit hinten im Gebüsch gewesen, es kam ihm dann vor, als sagte ihm Jemand: Jetzt ist Lisbeth im Freien. Dann flog er hin, wo er sie vermuthete, und siehe, seine Ahnung hatte ihn nicht getäuscht, denn schon von weitem erblickte er die schlanke Gestalt und das liebliche Antlitz. Sie pflegte sich dann wohl seit- wärts nach einer Blume zu bücken, als achte sie seiner nicht. Vorher hatte sie freilich nach der Gegend gesehen, woher er kam.
Nun gingen sie zusammen durch Feld und Aue, denn er bat sie darum so herzlich, daß es ihr wie eine Sünde vorkam, ihm die kleine Bitte abzuschlagen.
aus, wenn er ihm begegnete. Aber nach der Lin- nenkammer war er oft unterweges, worin er die Mädchen plaudern hörte, und worin Lisbeth ſtill half. Hatte er aber die Klinke in der Hand um aufzudrücken, dann überzog ſein Antlitz dunkle Gluth, er wandte ſich ſtolz und ging trotzig, wie ein Löwe, die Treppe hinunter, zum Hofe hinaus, weit, weit in das Feld, ohne ſich umzuſehen.
Die glückſelige Zeit begann, wenn Lisbeth von ihrer Arbeit ruhte und friſche Luft ſchöpfte. Dann war es gewiß, daß Beide zuſammentrafen, der Jä- ger und ſie. Und wäre er noch ſo weit hinten im Gebüſch geweſen, es kam ihm dann vor, als ſagte ihm Jemand: Jetzt iſt Lisbeth im Freien. Dann flog er hin, wo er ſie vermuthete, und ſiehe, ſeine Ahnung hatte ihn nicht getäuſcht, denn ſchon von weitem erblickte er die ſchlanke Geſtalt und das liebliche Antlitz. Sie pflegte ſich dann wohl ſeit- wärts nach einer Blume zu bücken, als achte ſie ſeiner nicht. Vorher hatte ſie freilich nach der Gegend geſehen, woher er kam.
Nun gingen ſie zuſammen durch Feld und Aue, denn er bat ſie darum ſo herzlich, daß es ihr wie eine Sünde vorkam, ihm die kleine Bitte abzuſchlagen.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0059"n="45"/>
aus, wenn er ihm begegnete. Aber nach der Lin-<lb/>
nenkammer war er oft unterweges, worin er die<lb/>
Mädchen plaudern hörte, und worin Lisbeth ſtill<lb/>
half. Hatte er aber die Klinke in der Hand um<lb/>
aufzudrücken, dann überzog ſein Antlitz dunkle Gluth,<lb/>
er wandte ſich ſtolz und ging trotzig, wie ein Löwe,<lb/>
die Treppe hinunter, zum Hofe hinaus, weit, weit<lb/>
in das Feld, ohne ſich umzuſehen.</p><lb/><p>Die glückſelige Zeit begann, wenn Lisbeth von<lb/>
ihrer Arbeit ruhte und friſche Luft ſchöpfte. Dann<lb/>
war es gewiß, daß Beide zuſammentrafen, der Jä-<lb/>
ger und ſie. Und wäre er noch ſo weit hinten im<lb/>
Gebüſch geweſen, es kam ihm dann vor, als ſagte<lb/>
ihm Jemand: Jetzt iſt Lisbeth im Freien. Dann<lb/>
flog er hin, wo er ſie vermuthete, und ſiehe, ſeine<lb/>
Ahnung hatte ihn nicht getäuſcht, denn ſchon von<lb/>
weitem erblickte er die ſchlanke Geſtalt und das<lb/>
liebliche Antlitz. Sie pflegte ſich dann wohl ſeit-<lb/>
wärts nach einer Blume zu bücken, als achte ſie<lb/>ſeiner nicht. Vorher hatte ſie freilich nach der<lb/>
Gegend geſehen, woher er kam.</p><lb/><p>Nun gingen ſie zuſammen durch Feld und Aue,<lb/>
denn er bat ſie darum ſo herzlich, daß es ihr wie<lb/>
eine Sünde vorkam, ihm die kleine Bitte abzuſchlagen.<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[45/0059]
aus, wenn er ihm begegnete. Aber nach der Lin-
nenkammer war er oft unterweges, worin er die
Mädchen plaudern hörte, und worin Lisbeth ſtill
half. Hatte er aber die Klinke in der Hand um
aufzudrücken, dann überzog ſein Antlitz dunkle Gluth,
er wandte ſich ſtolz und ging trotzig, wie ein Löwe,
die Treppe hinunter, zum Hofe hinaus, weit, weit
in das Feld, ohne ſich umzuſehen.
Die glückſelige Zeit begann, wenn Lisbeth von
ihrer Arbeit ruhte und friſche Luft ſchöpfte. Dann
war es gewiß, daß Beide zuſammentrafen, der Jä-
ger und ſie. Und wäre er noch ſo weit hinten im
Gebüſch geweſen, es kam ihm dann vor, als ſagte
ihm Jemand: Jetzt iſt Lisbeth im Freien. Dann
flog er hin, wo er ſie vermuthete, und ſiehe, ſeine
Ahnung hatte ihn nicht getäuſcht, denn ſchon von
weitem erblickte er die ſchlanke Geſtalt und das
liebliche Antlitz. Sie pflegte ſich dann wohl ſeit-
wärts nach einer Blume zu bücken, als achte ſie
ſeiner nicht. Vorher hatte ſie freilich nach der
Gegend geſehen, woher er kam.
Nun gingen ſie zuſammen durch Feld und Aue,
denn er bat ſie darum ſo herzlich, daß es ihr wie
eine Sünde vorkam, ihm die kleine Bitte abzuſchlagen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/59>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.