lieutenant Bonaparte wäre nicht Kaiser der Fran- zosen geworden, hätten seine Vorfahren nicht im goldenen Buche von Bologna gestanden. Hundert bürgerliche Stimmen in mir rufen: Reiß aus, denn du kannst es, reiß aus vor diesem mörderi- schen Schwaben! Aber Münchhausen steht, Münch- hausen steht wie ein Held, Münchhausen wird als Held zu fallen wissen. Karl! Karl! Ich muß den Esel mir selbst herbeiholen.
Münchhausen schoß in seiner rothen Uniform gleich einer Feuerflamme des Herrn durch den Vorsaal, die Treppe hinunter, aus dem Hause nach dem Garten, um den Schneckenberg zu er- klimmen, in dessen Häuslein er den Diener ver- muthete.
In diesem Augenblicke kam der junge Jäger vom Söller. Seine Schritte waren schwankend, er hielt sich, was er wohl noch nie gethan hatte, am Treppengeländer fest, wie ein Siecher. Es mußte ihm etwas ganz Unerhörtes begegnet seyn, denn man würde umsonst versuchen, den Ausdruck seines Antlitzes zu schildern. Ein halbes Lächeln
lieutenant Bonaparte wäre nicht Kaiſer der Fran- zoſen geworden, hätten ſeine Vorfahren nicht im goldenen Buche von Bologna geſtanden. Hundert bürgerliche Stimmen in mir rufen: Reiß aus, denn du kannſt es, reiß aus vor dieſem mörderi- ſchen Schwaben! Aber Münchhauſen ſteht, Münch- hauſen ſteht wie ein Held, Münchhauſen wird als Held zu fallen wiſſen. Karl! Karl! Ich muß den Eſel mir ſelbſt herbeiholen.
Münchhauſen ſchoß in ſeiner rothen Uniform gleich einer Feuerflamme des Herrn durch den Vorſaal, die Treppe hinunter, aus dem Hauſe nach dem Garten, um den Schneckenberg zu er- klimmen, in deſſen Häuslein er den Diener ver- muthete.
In dieſem Augenblicke kam der junge Jäger vom Söller. Seine Schritte waren ſchwankend, er hielt ſich, was er wohl noch nie gethan hatte, am Treppengeländer feſt, wie ein Siecher. Es mußte ihm etwas ganz Unerhörtes begegnet ſeyn, denn man würde umſonſt verſuchen, den Ausdruck ſeines Antlitzes zu ſchildern. Ein halbes Lächeln
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0402"n="388"/>
lieutenant Bonaparte wäre nicht Kaiſer der Fran-<lb/>
zoſen geworden, hätten ſeine Vorfahren nicht im<lb/>
goldenen Buche von Bologna geſtanden. Hundert<lb/>
bürgerliche Stimmen in mir rufen: Reiß aus,<lb/>
denn du kannſt es, reiß aus vor dieſem mörderi-<lb/>ſchen Schwaben! Aber Münchhauſen ſteht, Münch-<lb/>
hauſen ſteht wie ein Held, Münchhauſen wird als<lb/>
Held zu fallen wiſſen. Karl! Karl! Ich muß den<lb/>
Eſel mir ſelbſt herbeiholen.</p><lb/><p>Münchhauſen ſchoß in ſeiner rothen Uniform<lb/>
gleich einer Feuerflamme des Herrn durch den<lb/>
Vorſaal, die Treppe hinunter, aus dem Hauſe<lb/>
nach dem Garten, um den Schneckenberg zu er-<lb/>
klimmen, in deſſen Häuslein er den Diener ver-<lb/>
muthete.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>In dieſem Augenblicke kam der junge Jäger<lb/>
vom Söller. Seine Schritte waren ſchwankend,<lb/>
er hielt ſich, was er wohl noch nie gethan hatte,<lb/>
am Treppengeländer feſt, wie ein Siecher. Es<lb/>
mußte ihm etwas ganz Unerhörtes begegnet ſeyn,<lb/>
denn man würde umſonſt verſuchen, den Ausdruck<lb/>ſeines Antlitzes zu ſchildern. Ein halbes Lächeln<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[388/0402]
lieutenant Bonaparte wäre nicht Kaiſer der Fran-
zoſen geworden, hätten ſeine Vorfahren nicht im
goldenen Buche von Bologna geſtanden. Hundert
bürgerliche Stimmen in mir rufen: Reiß aus,
denn du kannſt es, reiß aus vor dieſem mörderi-
ſchen Schwaben! Aber Münchhauſen ſteht, Münch-
hauſen ſteht wie ein Held, Münchhauſen wird als
Held zu fallen wiſſen. Karl! Karl! Ich muß den
Eſel mir ſelbſt herbeiholen.
Münchhauſen ſchoß in ſeiner rothen Uniform
gleich einer Feuerflamme des Herrn durch den
Vorſaal, die Treppe hinunter, aus dem Hauſe
nach dem Garten, um den Schneckenberg zu er-
klimmen, in deſſen Häuslein er den Diener ver-
muthete.
In dieſem Augenblicke kam der junge Jäger
vom Söller. Seine Schritte waren ſchwankend,
er hielt ſich, was er wohl noch nie gethan hatte,
am Treppengeländer feſt, wie ein Siecher. Es
mußte ihm etwas ganz Unerhörtes begegnet ſeyn,
denn man würde umſonſt verſuchen, den Ausdruck
ſeines Antlitzes zu ſchildern. Ein halbes Lächeln
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 388. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/402>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.