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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839.

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wunderlichen Feindes lesen mußte. -- Was soll
das? fragte er.

Ein Vermächtniß an Ihre Ehre, wenn ich blei-
ben sollte, sagte Münchhausen. In Fällen, wie
der unsrige, wo man sich ohne Secundanten schießt,
ist der Ueberlebende zu solchen Ritterdiensten ver-
pflichtet. Ich habe eine Tochter --

Sie?

Ich; hab' sie, weil sie mein ist, könnte ich mit
Polonius sagen, wollte ich scherzen, ich will aber
über diese Tochter nicht scherzen. -- Mein Herr,
ich werde Ihnen jetzt nichts vorseufzen, mein Herr,
ich werde Ihnen nichts vorweinen, überhaupt, mein
Herr, nicht den Sentimentalen vor Ihnen spielen;
ich werde Ihnen nur sagen, daß, auch wenn man
viel gelogen und manches Abentheuer gehabt hat,
es immer ein eigenes Gefühl bleibt, eine Tochter
zu besitzen, von der man nicht weiß, wo sie ist.
Ich zeugte sie vor nunmehr zwanzig Jahren fern
von hier mit einer einfältigen aber ziemlich hüb-
schen Gans. Sie lasen die Namen der Mutter,
des Orts, auch wie ich damals hieß. Wenige
Wochen nach ihrer Geburt sah ich sie zufällig bei
einem alten Weibe, der sie übergeben worden war,

wunderlichen Feindes leſen mußte. — Was ſoll
das? fragte er.

Ein Vermächtniß an Ihre Ehre, wenn ich blei-
ben ſollte, ſagte Münchhauſen. In Fällen, wie
der unſrige, wo man ſich ohne Secundanten ſchießt,
iſt der Ueberlebende zu ſolchen Ritterdienſten ver-
pflichtet. Ich habe eine Tochter —

Sie?

Ich; hab’ ſie, weil ſie mein iſt, könnte ich mit
Polonius ſagen, wollte ich ſcherzen, ich will aber
über dieſe Tochter nicht ſcherzen. — Mein Herr,
ich werde Ihnen jetzt nichts vorſeufzen, mein Herr,
ich werde Ihnen nichts vorweinen, überhaupt, mein
Herr, nicht den Sentimentalen vor Ihnen ſpielen;
ich werde Ihnen nur ſagen, daß, auch wenn man
viel gelogen und manches Abentheuer gehabt hat,
es immer ein eigenes Gefühl bleibt, eine Tochter
zu beſitzen, von der man nicht weiß, wo ſie iſt.
Ich zeugte ſie vor nunmehr zwanzig Jahren fern
von hier mit einer einfältigen aber ziemlich hüb-
ſchen Gans. Sie laſen die Namen der Mutter,
des Orts, auch wie ich damals hieß. Wenige
Wochen nach ihrer Geburt ſah ich ſie zufällig bei
einem alten Weibe, der ſie übergeben worden war,

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[374/0388] wunderlichen Feindes leſen mußte. — Was ſoll das? fragte er. Ein Vermächtniß an Ihre Ehre, wenn ich blei- ben ſollte, ſagte Münchhauſen. In Fällen, wie der unſrige, wo man ſich ohne Secundanten ſchießt, iſt der Ueberlebende zu ſolchen Ritterdienſten ver- pflichtet. Ich habe eine Tochter — Sie? Ich; hab’ ſie, weil ſie mein iſt, könnte ich mit Polonius ſagen, wollte ich ſcherzen, ich will aber über dieſe Tochter nicht ſcherzen. — Mein Herr, ich werde Ihnen jetzt nichts vorſeufzen, mein Herr, ich werde Ihnen nichts vorweinen, überhaupt, mein Herr, nicht den Sentimentalen vor Ihnen ſpielen; ich werde Ihnen nur ſagen, daß, auch wenn man viel gelogen und manches Abentheuer gehabt hat, es immer ein eigenes Gefühl bleibt, eine Tochter zu beſitzen, von der man nicht weiß, wo ſie iſt. Ich zeugte ſie vor nunmehr zwanzig Jahren fern von hier mit einer einfältigen aber ziemlich hüb- ſchen Gans. Sie laſen die Namen der Mutter, des Orts, auch wie ich damals hieß. Wenige Wochen nach ihrer Geburt ſah ich ſie zufällig bei einem alten Weibe, der ſie übergeben worden war,

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/388>, abgerufen am 17.05.2024.