Doch im Grunde eine traurige Schwelgerei! sagte der Schriftsteller.
Die lieblichste und üppigste! rief der Freiherr begeistert. Seine Züge nahmen ein Gepräge an, wie es noch niemals in ihnen gesehen worden war. Seine Augen leuchteten wunderlich und schrecklich, durch die Irrgänge seiner Lineamente schlichen Schel- merei, Spott, trunkenes Behagen, wie schöne Mäd- chen, die in einem vernachlässigten Park spazieren gehen. Mit den Fingern griff er in die Lüfte, als wollte er da tausend lustige Erinnerungen sich greifen, er sah wie der Geist Capriccio aus. -- Was ist das süße Feuer, welches die Traube in unsere Adern gießt, was sind die verathmenden Ohnmachten des höchsten Liebesrausches gegen das selige Behagen, mit allen stolzen Thorheiten der Zeit zu tändeln, zu scherzen, zu spielen und des Witzes urkräftige Blitze in alle Spelunken hinab- leuchten zu lassen! Man fühlt sich wahrhaft als Schöpfer; eine neue Welt ersteht, durch welche man als König und Wohlthäter hinzieht, denn hinter den Rädern des Siegeswagens blühen in den Geleisen phantastische Blumen auf, welche dem Gefolge lieblicher duften als Rosen und Jasminen.
Doch im Grunde eine traurige Schwelgerei! ſagte der Schriftſteller.
Die lieblichſte und üppigſte! rief der Freiherr begeiſtert. Seine Züge nahmen ein Gepräge an, wie es noch niemals in ihnen geſehen worden war. Seine Augen leuchteten wunderlich und ſchrecklich, durch die Irrgänge ſeiner Lineamente ſchlichen Schel- merei, Spott, trunkenes Behagen, wie ſchöne Mäd- chen, die in einem vernachläſſigten Park ſpazieren gehen. Mit den Fingern griff er in die Lüfte, als wollte er da tauſend luſtige Erinnerungen ſich greifen, er ſah wie der Geiſt Capriccio aus. — Was iſt das ſüße Feuer, welches die Traube in unſere Adern gießt, was ſind die verathmenden Ohnmachten des höchſten Liebesrauſches gegen das ſelige Behagen, mit allen ſtolzen Thorheiten der Zeit zu tändeln, zu ſcherzen, zu ſpielen und des Witzes urkräftige Blitze in alle Spelunken hinab- leuchten zu laſſen! Man fühlt ſich wahrhaft als Schöpfer; eine neue Welt erſteht, durch welche man als König und Wohlthäter hinzieht, denn hinter den Rädern des Siegeswagens blühen in den Geleiſen phantaſtiſche Blumen auf, welche dem Gefolge lieblicher duften als Roſen und Jasminen.
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Doch im Grunde eine traurige Schwelgerei!
ſagte der Schriftſteller.
Die lieblichſte und üppigſte! rief der Freiherr
begeiſtert. Seine Züge nahmen ein Gepräge an,
wie es noch niemals in ihnen geſehen worden war.
Seine Augen leuchteten wunderlich und ſchrecklich,
durch die Irrgänge ſeiner Lineamente ſchlichen Schel-
merei, Spott, trunkenes Behagen, wie ſchöne Mäd-
chen, die in einem vernachläſſigten Park ſpazieren
gehen. Mit den Fingern griff er in die Lüfte,
als wollte er da tauſend luſtige Erinnerungen ſich
greifen, er ſah wie der Geiſt Capriccio aus. —
Was iſt das ſüße Feuer, welches die Traube in
unſere Adern gießt, was ſind die verathmenden
Ohnmachten des höchſten Liebesrauſches gegen das
ſelige Behagen, mit allen ſtolzen Thorheiten der
Zeit zu tändeln, zu ſcherzen, zu ſpielen und des
Witzes urkräftige Blitze in alle Spelunken hinab-
leuchten zu laſſen! Man fühlt ſich wahrhaft als
Schöpfer; eine neue Welt erſteht, durch welche
man als König und Wohlthäter hinzieht, denn
hinter den Rädern des Siegeswagens blühen in
den Geleiſen phantaſtiſche Blumen auf, welche dem
Gefolge lieblicher duften als Roſen und Jasminen.
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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/290>, abgerufen am 22.11.2024.
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