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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839.

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bar! -- Wie demjenigen, der eine große Wahrheit
entdeckt, zugleich viele andere Wahrheiten mit einem
Schlage aufzugehen pflegen, so zerstört die Zer-
störung eines großen Irrthums auch seine Nach-
barn. Seit ich nicht mehr an versteinerte Luft
glaube, bin ich auch mißtrauisch geworden über die
Rückkehr der alten Verhältnisse und meinen Ein-
tritt in das höchste Gericht als geborener Gehei-
merrath. Es ist zu viel Gras darüber hingewachsen,
meine Tage sind gezählt; ich erlebe es nicht mehr,
das fühle ich wohl.

Und so wäre ich denn ein armer, alter, zer-
brochener, abgebrauchter Mann? -- Nein! Mit
nichten. Schon regen sich neue Gedanken in mir,
die jugendliche Kräfte aufwecken. Das ist eben
der wunderbare Segen der Gegenwart, daß Nie-
mand untergehen kann, der sich mit rüstigem
Arm und beherzter Brust in ihre Fluthen wirft.
Erlischt hier ein Licht, so flammt es da wieder
auf, die unendliche Mannichfaltigkeit der Mittel,
Gedanken und Anregungen macht jede welkende
Hoffnung zu einem Phönix, der sich zwar be-
stattet, aber aus dem Feuergrabe immer wieder
auflebt.


bar! — Wie demjenigen, der eine große Wahrheit
entdeckt, zugleich viele andere Wahrheiten mit einem
Schlage aufzugehen pflegen, ſo zerſtört die Zer-
ſtörung eines großen Irrthums auch ſeine Nach-
barn. Seit ich nicht mehr an verſteinerte Luft
glaube, bin ich auch mißtrauiſch geworden über die
Rückkehr der alten Verhältniſſe und meinen Ein-
tritt in das höchſte Gericht als geborener Gehei-
merrath. Es iſt zu viel Gras darüber hingewachſen,
meine Tage ſind gezählt; ich erlebe es nicht mehr,
das fühle ich wohl.

Und ſo wäre ich denn ein armer, alter, zer-
brochener, abgebrauchter Mann? — Nein! Mit
nichten. Schon regen ſich neue Gedanken in mir,
die jugendliche Kräfte aufwecken. Das iſt eben
der wunderbare Segen der Gegenwart, daß Nie-
mand untergehen kann, der ſich mit rüſtigem
Arm und beherzter Bruſt in ihre Fluthen wirft.
Erliſcht hier ein Licht, ſo flammt es da wieder
auf, die unendliche Mannichfaltigkeit der Mittel,
Gedanken und Anregungen macht jede welkende
Hoffnung zu einem Phönix, der ſich zwar be-
ſtattet, aber aus dem Feuergrabe immer wieder
auflebt.


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[248/0262] bar! — Wie demjenigen, der eine große Wahrheit entdeckt, zugleich viele andere Wahrheiten mit einem Schlage aufzugehen pflegen, ſo zerſtört die Zer- ſtörung eines großen Irrthums auch ſeine Nach- barn. Seit ich nicht mehr an verſteinerte Luft glaube, bin ich auch mißtrauiſch geworden über die Rückkehr der alten Verhältniſſe und meinen Ein- tritt in das höchſte Gericht als geborener Gehei- merrath. Es iſt zu viel Gras darüber hingewachſen, meine Tage ſind gezählt; ich erlebe es nicht mehr, das fühle ich wohl. Und ſo wäre ich denn ein armer, alter, zer- brochener, abgebrauchter Mann? — Nein! Mit nichten. Schon regen ſich neue Gedanken in mir, die jugendliche Kräfte aufwecken. Das iſt eben der wunderbare Segen der Gegenwart, daß Nie- mand untergehen kann, der ſich mit rüſtigem Arm und beherzter Bruſt in ihre Fluthen wirft. Erliſcht hier ein Licht, ſo flammt es da wieder auf, die unendliche Mannichfaltigkeit der Mittel, Gedanken und Anregungen macht jede welkende Hoffnung zu einem Phönix, der ſich zwar be- ſtattet, aber aus dem Feuergrabe immer wieder auflebt.

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/262>, abgerufen am 22.11.2024.