bar! -- Wie demjenigen, der eine große Wahrheit entdeckt, zugleich viele andere Wahrheiten mit einem Schlage aufzugehen pflegen, so zerstört die Zer- störung eines großen Irrthums auch seine Nach- barn. Seit ich nicht mehr an versteinerte Luft glaube, bin ich auch mißtrauisch geworden über die Rückkehr der alten Verhältnisse und meinen Ein- tritt in das höchste Gericht als geborener Gehei- merrath. Es ist zu viel Gras darüber hingewachsen, meine Tage sind gezählt; ich erlebe es nicht mehr, das fühle ich wohl.
Und so wäre ich denn ein armer, alter, zer- brochener, abgebrauchter Mann? -- Nein! Mit nichten. Schon regen sich neue Gedanken in mir, die jugendliche Kräfte aufwecken. Das ist eben der wunderbare Segen der Gegenwart, daß Nie- mand untergehen kann, der sich mit rüstigem Arm und beherzter Brust in ihre Fluthen wirft. Erlischt hier ein Licht, so flammt es da wieder auf, die unendliche Mannichfaltigkeit der Mittel, Gedanken und Anregungen macht jede welkende Hoffnung zu einem Phönix, der sich zwar be- stattet, aber aus dem Feuergrabe immer wieder auflebt.
bar! — Wie demjenigen, der eine große Wahrheit entdeckt, zugleich viele andere Wahrheiten mit einem Schlage aufzugehen pflegen, ſo zerſtört die Zer- ſtörung eines großen Irrthums auch ſeine Nach- barn. Seit ich nicht mehr an verſteinerte Luft glaube, bin ich auch mißtrauiſch geworden über die Rückkehr der alten Verhältniſſe und meinen Ein- tritt in das höchſte Gericht als geborener Gehei- merrath. Es iſt zu viel Gras darüber hingewachſen, meine Tage ſind gezählt; ich erlebe es nicht mehr, das fühle ich wohl.
Und ſo wäre ich denn ein armer, alter, zer- brochener, abgebrauchter Mann? — Nein! Mit nichten. Schon regen ſich neue Gedanken in mir, die jugendliche Kräfte aufwecken. Das iſt eben der wunderbare Segen der Gegenwart, daß Nie- mand untergehen kann, der ſich mit rüſtigem Arm und beherzter Bruſt in ihre Fluthen wirft. Erliſcht hier ein Licht, ſo flammt es da wieder auf, die unendliche Mannichfaltigkeit der Mittel, Gedanken und Anregungen macht jede welkende Hoffnung zu einem Phönix, der ſich zwar be- ſtattet, aber aus dem Feuergrabe immer wieder auflebt.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0262"n="248"/>
bar! — Wie demjenigen, der eine große Wahrheit<lb/>
entdeckt, zugleich viele andere Wahrheiten mit einem<lb/>
Schlage aufzugehen pflegen, ſo zerſtört die Zer-<lb/>ſtörung eines großen Irrthums auch ſeine Nach-<lb/>
barn. Seit ich nicht mehr an verſteinerte Luft<lb/>
glaube, bin ich auch mißtrauiſch geworden über die<lb/>
Rückkehr der alten Verhältniſſe und meinen Ein-<lb/>
tritt in das höchſte Gericht als geborener Gehei-<lb/>
merrath. Es iſt zu viel Gras darüber hingewachſen,<lb/>
meine Tage ſind gezählt; ich erlebe es nicht mehr,<lb/>
das fühle ich wohl.</p><lb/><p>Und ſo wäre ich denn ein armer, alter, zer-<lb/>
brochener, abgebrauchter Mann? — Nein! Mit<lb/>
nichten. Schon regen ſich neue Gedanken in mir,<lb/>
die jugendliche Kräfte aufwecken. Das iſt eben<lb/>
der wunderbare Segen der Gegenwart, daß Nie-<lb/>
mand untergehen <hirendition="#g">kann</hi>, der ſich mit rüſtigem<lb/>
Arm und beherzter Bruſt in ihre Fluthen wirft.<lb/>
Erliſcht hier ein Licht, ſo flammt es da wieder<lb/>
auf, die unendliche Mannichfaltigkeit der Mittel,<lb/>
Gedanken und Anregungen macht jede welkende<lb/>
Hoffnung zu einem Phönix, der ſich zwar be-<lb/>ſtattet, aber aus dem Feuergrabe immer wieder<lb/>
auflebt.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[248/0262]
bar! — Wie demjenigen, der eine große Wahrheit
entdeckt, zugleich viele andere Wahrheiten mit einem
Schlage aufzugehen pflegen, ſo zerſtört die Zer-
ſtörung eines großen Irrthums auch ſeine Nach-
barn. Seit ich nicht mehr an verſteinerte Luft
glaube, bin ich auch mißtrauiſch geworden über die
Rückkehr der alten Verhältniſſe und meinen Ein-
tritt in das höchſte Gericht als geborener Gehei-
merrath. Es iſt zu viel Gras darüber hingewachſen,
meine Tage ſind gezählt; ich erlebe es nicht mehr,
das fühle ich wohl.
Und ſo wäre ich denn ein armer, alter, zer-
brochener, abgebrauchter Mann? — Nein! Mit
nichten. Schon regen ſich neue Gedanken in mir,
die jugendliche Kräfte aufwecken. Das iſt eben
der wunderbare Segen der Gegenwart, daß Nie-
mand untergehen kann, der ſich mit rüſtigem
Arm und beherzter Bruſt in ihre Fluthen wirft.
Erliſcht hier ein Licht, ſo flammt es da wieder
auf, die unendliche Mannichfaltigkeit der Mittel,
Gedanken und Anregungen macht jede welkende
Hoffnung zu einem Phönix, der ſich zwar be-
ſtattet, aber aus dem Feuergrabe immer wieder
auflebt.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/262>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.