Nacht schlummerlos zugebracht hatte, saß beküm- mert auf der Gerichtsstube. Emerentia sang unten im Hause auf Befehl ihres Vaters. Denn dieser meinte, was sein Rütteln und Rumoren nicht zu Wege gebracht, werde der helle und durchdringende Gesang der Tochter bewirken. Als sie ihre besten Gänge und Cadenzen von sich gegeben hatte und eine Pause entstand, stellte sich der Schloßherr an die Söllertreppe und rief hinunter: Karl! -- Karl Buttervogel trat aus des Freiherrn Dormitorium. Ist er wach? fragte der alte Baron. -- Ich hab' mir die Ohren zugehalten, denn ich bin kitzlich gegen Musik, versetzte der Bediente, mein gnädiger Herr aber legten sich auf die andere Seite und lächelten im Schlaf, wie ein Engel. Jetzt aber verlangen Sie mit zugemachten Augen Waschwasser, werden also wohl aufstehen wollen, um sich dann zum Schlummer niederzusetzen. Glauben mir der Herr Baron, Sie treiben es mit meinem Herrn nicht durch, was der sich vornimmt, das führt er aus, wachend oder schlafend.
Zornig lief der alte Baron in die Gerichtsstube zurück, rannte mit großen Schritten auf ihr hin und her, stieß an den Tisch, daß ein Theil der
Nacht ſchlummerlos zugebracht hatte, ſaß beküm- mert auf der Gerichtsſtube. Emerentia ſang unten im Hauſe auf Befehl ihres Vaters. Denn dieſer meinte, was ſein Rütteln und Rumoren nicht zu Wege gebracht, werde der helle und durchdringende Geſang der Tochter bewirken. Als ſie ihre beſten Gänge und Cadenzen von ſich gegeben hatte und eine Pauſe entſtand, ſtellte ſich der Schloßherr an die Söllertreppe und rief hinunter: Karl! — Karl Buttervogel trat aus des Freiherrn Dormitorium. Iſt er wach? fragte der alte Baron. — Ich hab’ mir die Ohren zugehalten, denn ich bin kitzlich gegen Muſik, verſetzte der Bediente, mein gnädiger Herr aber legten ſich auf die andere Seite und lächelten im Schlaf, wie ein Engel. Jetzt aber verlangen Sie mit zugemachten Augen Waſchwaſſer, werden alſo wohl aufſtehen wollen, um ſich dann zum Schlummer niederzuſetzen. Glauben mir der Herr Baron, Sie treiben es mit meinem Herrn nicht durch, was der ſich vornimmt, das führt er aus, wachend oder ſchlafend.
Zornig lief der alte Baron in die Gerichtsſtube zurück, rannte mit großen Schritten auf ihr hin und her, ſtieß an den Tiſch, daß ein Theil der
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0252"n="238"/>
Nacht ſchlummerlos zugebracht hatte, ſaß beküm-<lb/>
mert auf der Gerichtsſtube. Emerentia ſang unten<lb/>
im Hauſe auf Befehl ihres Vaters. Denn dieſer<lb/>
meinte, was ſein Rütteln und Rumoren nicht zu<lb/>
Wege gebracht, werde der helle und durchdringende<lb/>
Geſang der Tochter bewirken. Als ſie ihre beſten<lb/>
Gänge und Cadenzen von ſich gegeben hatte und<lb/>
eine Pauſe entſtand, ſtellte ſich der Schloßherr an<lb/>
die Söllertreppe und rief hinunter: Karl! — Karl<lb/>
Buttervogel trat aus des Freiherrn Dormitorium.<lb/>
Iſt er wach? fragte der alte Baron. — Ich hab’<lb/>
mir die Ohren zugehalten, denn ich bin kitzlich<lb/>
gegen Muſik, verſetzte der Bediente, mein gnädiger<lb/>
Herr aber legten ſich auf die andere Seite und<lb/>
lächelten im Schlaf, wie ein Engel. Jetzt aber<lb/>
verlangen Sie mit zugemachten Augen Waſchwaſſer,<lb/>
werden alſo wohl aufſtehen wollen, um ſich dann<lb/>
zum Schlummer niederzuſetzen. Glauben mir der<lb/>
Herr Baron, Sie treiben es mit meinem Herrn<lb/>
nicht durch, was der ſich vornimmt, das führt er<lb/>
aus, wachend oder ſchlafend.</p><lb/><p>Zornig lief der alte Baron in die Gerichtsſtube<lb/>
zurück, rannte mit großen Schritten auf ihr hin<lb/>
und her, ſtieß an den Tiſch, daß ein Theil der<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[238/0252]
Nacht ſchlummerlos zugebracht hatte, ſaß beküm-
mert auf der Gerichtsſtube. Emerentia ſang unten
im Hauſe auf Befehl ihres Vaters. Denn dieſer
meinte, was ſein Rütteln und Rumoren nicht zu
Wege gebracht, werde der helle und durchdringende
Geſang der Tochter bewirken. Als ſie ihre beſten
Gänge und Cadenzen von ſich gegeben hatte und
eine Pauſe entſtand, ſtellte ſich der Schloßherr an
die Söllertreppe und rief hinunter: Karl! — Karl
Buttervogel trat aus des Freiherrn Dormitorium.
Iſt er wach? fragte der alte Baron. — Ich hab’
mir die Ohren zugehalten, denn ich bin kitzlich
gegen Muſik, verſetzte der Bediente, mein gnädiger
Herr aber legten ſich auf die andere Seite und
lächelten im Schlaf, wie ein Engel. Jetzt aber
verlangen Sie mit zugemachten Augen Waſchwaſſer,
werden alſo wohl aufſtehen wollen, um ſich dann
zum Schlummer niederzuſetzen. Glauben mir der
Herr Baron, Sie treiben es mit meinem Herrn
nicht durch, was der ſich vornimmt, das führt er
aus, wachend oder ſchlafend.
Zornig lief der alte Baron in die Gerichtsſtube
zurück, rannte mit großen Schritten auf ihr hin
und her, ſtieß an den Tiſch, daß ein Theil der
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/252>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.