Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

Dann könnten Sie ja doch schwitzen, sagte der
Küster.

Keine Möglichkeit. Habe es versucht, aber die
Gedanken lassen den Schweiß nicht vorbrechen, ver-
setzte der Schirrmeister. Nämlich, wenn ich eben
ein Paar Stunden im Bette gelegen habe und der
Fliederthee nun seine Wirkung thun will, so fange
ich an zu denken: Jetzt füttern die Pferde, die
du vorgelegt kriegst, jetzt wird schon der Wagen
geschmiert, nun stehen der Herr Secretair auf,
nun sehe ich Sie in Ihrem Warschauer Schlafpelz
sitzen und die Charten und Papiere fertig machen,
alleweile ist der Briefzettel geschrieben, und alle-
weile die Personenkarte -- da schlägt es sechs,
und ich muß aufstehen, trocken, wie ich mich hin-
legte, denn wenn man seine völlige Ruhe nicht hat
und an andere Dinge denken muß, so löst sich die
Natur nicht, und wenn man den Fliederthee Eimer-
weis tränke. Dieses fehlt also an meiner völligen
Zufriedenheit, und so ist das menschliche Glück nie
vollkommen.

Ja, sagte der Küster, es mangelt immerdar
etwas, welches auch heilsam seyn mag, denn sonst
verlangten wir nicht nach dem Himmel. -- Mein

Dann könnten Sie ja doch ſchwitzen, ſagte der
Küſter.

Keine Möglichkeit. Habe es verſucht, aber die
Gedanken laſſen den Schweiß nicht vorbrechen, ver-
ſetzte der Schirrmeiſter. Nämlich, wenn ich eben
ein Paar Stunden im Bette gelegen habe und der
Fliederthee nun ſeine Wirkung thun will, ſo fange
ich an zu denken: Jetzt füttern die Pferde, die
du vorgelegt kriegſt, jetzt wird ſchon der Wagen
geſchmiert, nun ſtehen der Herr Secretair auf,
nun ſehe ich Sie in Ihrem Warſchauer Schlafpelz
ſitzen und die Charten und Papiere fertig machen,
alleweile iſt der Briefzettel geſchrieben, und alle-
weile die Perſonenkarte — da ſchlägt es ſechs,
und ich muß aufſtehen, trocken, wie ich mich hin-
legte, denn wenn man ſeine völlige Ruhe nicht hat
und an andere Dinge denken muß, ſo löſt ſich die
Natur nicht, und wenn man den Fliederthee Eimer-
weis tränke. Dieſes fehlt alſo an meiner völligen
Zufriedenheit, und ſo iſt das menſchliche Glück nie
vollkommen.

Ja, ſagte der Küſter, es mangelt immerdar
etwas, welches auch heilſam ſeyn mag, denn ſonſt
verlangten wir nicht nach dem Himmel. — Mein

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0102" n="88"/>
          <p>Dann könnten Sie ja doch &#x017F;chwitzen, &#x017F;agte der<lb/>&#x017F;ter.</p><lb/>
          <p>Keine Möglichkeit. Habe es ver&#x017F;ucht, aber die<lb/>
Gedanken la&#x017F;&#x017F;en den Schweiß nicht vorbrechen, ver-<lb/>
&#x017F;etzte der Schirrmei&#x017F;ter. Nämlich, wenn ich eben<lb/>
ein Paar Stunden im Bette gelegen habe und der<lb/>
Fliederthee nun &#x017F;eine Wirkung thun will, &#x017F;o fange<lb/>
ich an zu denken: Jetzt füttern die Pferde, die<lb/>
du vorgelegt krieg&#x017F;t, jetzt wird &#x017F;chon der Wagen<lb/>
ge&#x017F;chmiert, nun &#x017F;tehen der Herr Secretair auf,<lb/>
nun &#x017F;ehe ich Sie in Ihrem War&#x017F;chauer Schlafpelz<lb/>
&#x017F;itzen und die Charten und Papiere fertig machen,<lb/>
alleweile i&#x017F;t der Briefzettel ge&#x017F;chrieben, und alle-<lb/>
weile die Per&#x017F;onenkarte &#x2014; da &#x017F;chlägt es &#x017F;echs,<lb/>
und ich muß auf&#x017F;tehen, trocken, wie ich mich hin-<lb/>
legte, denn wenn man &#x017F;eine völlige Ruhe nicht hat<lb/>
und an andere Dinge denken muß, &#x017F;o lö&#x017F;t &#x017F;ich die<lb/>
Natur nicht, und wenn man den Fliederthee Eimer-<lb/>
weis tränke. Die&#x017F;es fehlt al&#x017F;o an meiner völligen<lb/>
Zufriedenheit, und &#x017F;o i&#x017F;t das men&#x017F;chliche Glück nie<lb/>
vollkommen.</p><lb/>
          <p>Ja, &#x017F;agte der Kü&#x017F;ter, es mangelt immerdar<lb/>
etwas, welches auch heil&#x017F;am &#x017F;eyn mag, denn &#x017F;on&#x017F;t<lb/>
verlangten wir nicht nach dem Himmel. &#x2014; Mein<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[88/0102] Dann könnten Sie ja doch ſchwitzen, ſagte der Küſter. Keine Möglichkeit. Habe es verſucht, aber die Gedanken laſſen den Schweiß nicht vorbrechen, ver- ſetzte der Schirrmeiſter. Nämlich, wenn ich eben ein Paar Stunden im Bette gelegen habe und der Fliederthee nun ſeine Wirkung thun will, ſo fange ich an zu denken: Jetzt füttern die Pferde, die du vorgelegt kriegſt, jetzt wird ſchon der Wagen geſchmiert, nun ſtehen der Herr Secretair auf, nun ſehe ich Sie in Ihrem Warſchauer Schlafpelz ſitzen und die Charten und Papiere fertig machen, alleweile iſt der Briefzettel geſchrieben, und alle- weile die Perſonenkarte — da ſchlägt es ſechs, und ich muß aufſtehen, trocken, wie ich mich hin- legte, denn wenn man ſeine völlige Ruhe nicht hat und an andere Dinge denken muß, ſo löſt ſich die Natur nicht, und wenn man den Fliederthee Eimer- weis tränke. Dieſes fehlt alſo an meiner völligen Zufriedenheit, und ſo iſt das menſchliche Glück nie vollkommen. Ja, ſagte der Küſter, es mangelt immerdar etwas, welches auch heilſam ſeyn mag, denn ſonſt verlangten wir nicht nach dem Himmel. — Mein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/102
Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/102>, abgerufen am 24.11.2024.