Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

Ein bedeutender Traum, ein prophetischer Traum!
Was weiß ich von der Wüste Sin, die da lieget
zwischen Elim und Sinai? Im Traume lernte ich
diese ebräischen Namen; die höhere Hand wollte
mir einen Wink geben: Siehe, ich bin da und
werde wirken ein Wunder in deiner Nähe.

Ich sah zum Fenster hinaus.

Karl trat unten in den Hof. Himmeltausend
Sacrament! rief er, kriege ich heute wieder nichts
zu fressen? -- Entsetzliche Ausdrücke für das Ta-
gebuch eines zarten Mädchens! aber ich muß ja
Alles treu mit den kleinsten Zügen berichten.

Der Laut jener Worte brachte mir alte Erin-
nerungen zugetragen. Wie aus weiter Ferne drang
es, gleich der Stimme, die mir einst lieb war, in
das Ohr! Diese sonderbare Aehnlichkeit der Töne,
das Fluchen -- der Fürst pflegte auch bisweilen
zu fluchen, doch bediente er sich mehr der soge-
nannten schweren Angst -- mein Traum von Nizza,
die trauernden Juden, die Wüste Sin, die Zeichen
am Nachtlicht, das Pantoffelwesen, die bedeutenden
Strümpfe -- -- --

Karl setzte sich auf einen Stein im Hofe, sagte:
Ich muß 'mal in den Taschen suchen -- suchte in der

Ein bedeutender Traum, ein prophetiſcher Traum!
Was weiß ich von der Wüſte Sin, die da lieget
zwiſchen Elim und Sinai? Im Traume lernte ich
dieſe ebräiſchen Namen; die höhere Hand wollte
mir einen Wink geben: Siehe, ich bin da und
werde wirken ein Wunder in deiner Nähe.

Ich ſah zum Fenſter hinaus.

Karl trat unten in den Hof. Himmeltauſend
Sacrament! rief er, kriege ich heute wieder nichts
zu freſſen? — Entſetzliche Ausdrücke für das Ta-
gebuch eines zarten Mädchens! aber ich muß ja
Alles treu mit den kleinſten Zügen berichten.

Der Laut jener Worte brachte mir alte Erin-
nerungen zugetragen. Wie aus weiter Ferne drang
es, gleich der Stimme, die mir einſt lieb war, in
das Ohr! Dieſe ſonderbare Aehnlichkeit der Töne,
das Fluchen — der Fürſt pflegte auch bisweilen
zu fluchen, doch bediente er ſich mehr der ſoge-
nannten ſchweren Angſt — mein Traum von Nizza,
die trauernden Juden, die Wüſte Sin, die Zeichen
am Nachtlicht, das Pantoffelweſen, die bedeutenden
Strümpfe — — —

Karl ſetzte ſich auf einen Stein im Hofe, ſagte:
Ich muß ’mal in den Taſchen ſuchen — ſuchte in der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0041" n="23"/>
          <p>Ein bedeutender Traum, ein propheti&#x017F;cher Traum!<lb/>
Was weiß ich von der Wü&#x017F;te Sin, die da lieget<lb/>
zwi&#x017F;chen Elim und Sinai? Im Traume lernte ich<lb/>
die&#x017F;e ebräi&#x017F;chen Namen; die höhere Hand wollte<lb/>
mir einen Wink geben: Siehe, ich bin da und<lb/>
werde wirken ein Wunder in deiner Nähe.</p><lb/>
          <p>Ich &#x017F;ah zum Fen&#x017F;ter hinaus.</p><lb/>
          <p>Karl trat unten in den Hof. Himmeltau&#x017F;end<lb/>
Sacrament! rief er, kriege ich heute wieder nichts<lb/>
zu fre&#x017F;&#x017F;en? &#x2014; Ent&#x017F;etzliche Ausdrücke für das Ta-<lb/>
gebuch eines zarten Mädchens! aber ich muß ja<lb/>
Alles treu mit den klein&#x017F;ten Zügen berichten.</p><lb/>
          <p>Der Laut jener Worte brachte mir alte Erin-<lb/>
nerungen zugetragen. Wie aus weiter Ferne drang<lb/>
es, gleich der Stimme, die mir ein&#x017F;t lieb war, in<lb/>
das Ohr! Die&#x017F;e &#x017F;onderbare Aehnlichkeit der Töne,<lb/>
das Fluchen &#x2014; der Für&#x017F;t pflegte auch bisweilen<lb/>
zu fluchen, doch bediente er &#x017F;ich mehr der &#x017F;oge-<lb/>
nannten &#x017F;chweren Ang&#x017F;t &#x2014; mein Traum von Nizza,<lb/>
die trauernden Juden, die Wü&#x017F;te Sin, die Zeichen<lb/>
am Nachtlicht, das Pantoffelwe&#x017F;en, die bedeutenden<lb/>
Strümpfe &#x2014; &#x2014; &#x2014;</p><lb/>
          <p>Karl &#x017F;etzte &#x017F;ich auf einen Stein im Hofe, &#x017F;agte:<lb/>
Ich muß &#x2019;mal in den Ta&#x017F;chen &#x017F;uchen &#x2014; &#x017F;uchte in der<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[23/0041] Ein bedeutender Traum, ein prophetiſcher Traum! Was weiß ich von der Wüſte Sin, die da lieget zwiſchen Elim und Sinai? Im Traume lernte ich dieſe ebräiſchen Namen; die höhere Hand wollte mir einen Wink geben: Siehe, ich bin da und werde wirken ein Wunder in deiner Nähe. Ich ſah zum Fenſter hinaus. Karl trat unten in den Hof. Himmeltauſend Sacrament! rief er, kriege ich heute wieder nichts zu freſſen? — Entſetzliche Ausdrücke für das Ta- gebuch eines zarten Mädchens! aber ich muß ja Alles treu mit den kleinſten Zügen berichten. Der Laut jener Worte brachte mir alte Erin- nerungen zugetragen. Wie aus weiter Ferne drang es, gleich der Stimme, die mir einſt lieb war, in das Ohr! Dieſe ſonderbare Aehnlichkeit der Töne, das Fluchen — der Fürſt pflegte auch bisweilen zu fluchen, doch bediente er ſich mehr der ſoge- nannten ſchweren Angſt — mein Traum von Nizza, die trauernden Juden, die Wüſte Sin, die Zeichen am Nachtlicht, das Pantoffelweſen, die bedeutenden Strümpfe — — — Karl ſetzte ſich auf einen Stein im Hofe, ſagte: Ich muß ’mal in den Taſchen ſuchen — ſuchte in der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839/41
Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839/41>, abgerufen am 21.11.2024.