Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

sondern in einem schlichten weißen Gewande. Puf-
fen, Bänder und Schmelz fehlen ihrem Anzuge
ganz, auf den Wangen brennt ihr nicht die bei den
Meisten beliebte hektische Röthe, sondern die reine
Farbe der Gesundheit steht auf denselben, die für
den verwöhnten Geschmack zu derb und frisch ist;
kurz, sie hat nichts, was reizen und verführen kann.

Die große Wahrheit, welche ich besitze, ist; daß
es keine Tollheit, keinen noch so verrückten Spar-
ren und keine Einfaltspinselei giebt, welche jemals
wirklich stürbe unter den Menschen. Vielmehr ist
das Abthun der allergräulichsten Irrthümer immer
nur eine Scheintödtung und sie leben zu gehöriger
Zeit stäts wieder auf, nicht etwa mit gewechselter
Garderobe, o nein! in solche Unkosten setzt sich
ihr König und Oberfeldherr nicht, sondern, wie sie
waren, erstehen sie wieder und in der alten, elen-
digen, bettelhaften Gestalt. Wenn ein Reich durch
die Dummen und Memmen gestürzt und durch die
Klugen und Tapfern gerettet worden, so beginnt
einige Tage nach der Rettungsstunde ganz sicherlich
die Herrschaft der Dummen und Memmen wieder.
Wenn es Millionenmale vorkam, daß die Sclaven
ihre Herren beraubten und ermordeten und nur die

ſondern in einem ſchlichten weißen Gewande. Puf-
fen, Bänder und Schmelz fehlen ihrem Anzuge
ganz, auf den Wangen brennt ihr nicht die bei den
Meiſten beliebte hektiſche Röthe, ſondern die reine
Farbe der Geſundheit ſteht auf denſelben, die für
den verwöhnten Geſchmack zu derb und friſch iſt;
kurz, ſie hat nichts, was reizen und verführen kann.

Die große Wahrheit, welche ich beſitze, iſt; daß
es keine Tollheit, keinen noch ſo verrückten Spar-
ren und keine Einfaltspinſelei giebt, welche jemals
wirklich ſtürbe unter den Menſchen. Vielmehr iſt
das Abthun der allergräulichſten Irrthümer immer
nur eine Scheintödtung und ſie leben zu gehöriger
Zeit ſtäts wieder auf, nicht etwa mit gewechſelter
Garderobe, o nein! in ſolche Unkoſten ſetzt ſich
ihr König und Oberfeldherr nicht, ſondern, wie ſie
waren, erſtehen ſie wieder und in der alten, elen-
digen, bettelhaften Geſtalt. Wenn ein Reich durch
die Dummen und Memmen geſtürzt und durch die
Klugen und Tapfern gerettet worden, ſo beginnt
einige Tage nach der Rettungsſtunde ganz ſicherlich
die Herrſchaft der Dummen und Memmen wieder.
Wenn es Millionenmale vorkam, daß die Sclaven
ihre Herren beraubten und ermordeten und nur die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0359" n="341"/>
&#x017F;ondern in einem &#x017F;chlichten weißen Gewande. Puf-<lb/>
fen, Bänder und Schmelz fehlen ihrem Anzuge<lb/>
ganz, auf den Wangen brennt ihr nicht die bei den<lb/>
Mei&#x017F;ten beliebte hekti&#x017F;che Röthe, &#x017F;ondern die reine<lb/>
Farbe der Ge&#x017F;undheit &#x017F;teht auf den&#x017F;elben, die für<lb/>
den verwöhnten Ge&#x017F;chmack zu derb und fri&#x017F;ch i&#x017F;t;<lb/>
kurz, &#x017F;ie hat nichts, was reizen und verführen kann.</p><lb/>
            <p>Die große Wahrheit, welche ich be&#x017F;itze, i&#x017F;t; daß<lb/>
es keine Tollheit, keinen noch &#x017F;o verrückten Spar-<lb/>
ren und keine Einfaltspin&#x017F;elei giebt, welche jemals<lb/>
wirklich &#x017F;türbe unter den Men&#x017F;chen. Vielmehr i&#x017F;t<lb/>
das Abthun der allergräulich&#x017F;ten Irrthümer immer<lb/>
nur eine Scheintödtung und &#x017F;ie leben zu gehöriger<lb/>
Zeit &#x017F;täts wieder auf, nicht etwa mit gewech&#x017F;elter<lb/>
Garderobe, o nein! in &#x017F;olche Unko&#x017F;ten &#x017F;etzt &#x017F;ich<lb/>
ihr König und Oberfeldherr nicht, &#x017F;ondern, wie &#x017F;ie<lb/>
waren, er&#x017F;tehen &#x017F;ie wieder und in der alten, elen-<lb/>
digen, bettelhaften Ge&#x017F;talt. Wenn ein Reich durch<lb/>
die Dummen und Memmen ge&#x017F;türzt und durch die<lb/>
Klugen und Tapfern gerettet worden, &#x017F;o beginnt<lb/>
einige Tage nach der Rettungs&#x017F;tunde ganz &#x017F;icherlich<lb/>
die Herr&#x017F;chaft der Dummen und Memmen wieder.<lb/>
Wenn es Millionenmale vorkam, daß die Sclaven<lb/>
ihre Herren beraubten und ermordeten und nur die<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[341/0359] ſondern in einem ſchlichten weißen Gewande. Puf- fen, Bänder und Schmelz fehlen ihrem Anzuge ganz, auf den Wangen brennt ihr nicht die bei den Meiſten beliebte hektiſche Röthe, ſondern die reine Farbe der Geſundheit ſteht auf denſelben, die für den verwöhnten Geſchmack zu derb und friſch iſt; kurz, ſie hat nichts, was reizen und verführen kann. Die große Wahrheit, welche ich beſitze, iſt; daß es keine Tollheit, keinen noch ſo verrückten Spar- ren und keine Einfaltspinſelei giebt, welche jemals wirklich ſtürbe unter den Menſchen. Vielmehr iſt das Abthun der allergräulichſten Irrthümer immer nur eine Scheintödtung und ſie leben zu gehöriger Zeit ſtäts wieder auf, nicht etwa mit gewechſelter Garderobe, o nein! in ſolche Unkoſten ſetzt ſich ihr König und Oberfeldherr nicht, ſondern, wie ſie waren, erſtehen ſie wieder und in der alten, elen- digen, bettelhaften Geſtalt. Wenn ein Reich durch die Dummen und Memmen geſtürzt und durch die Klugen und Tapfern gerettet worden, ſo beginnt einige Tage nach der Rettungsſtunde ganz ſicherlich die Herrſchaft der Dummen und Memmen wieder. Wenn es Millionenmale vorkam, daß die Sclaven ihre Herren beraubten und ermordeten und nur die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839/359
Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839, S. 341. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839/359>, abgerufen am 21.11.2024.