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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839.

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Dieses sagen, und unsere Lippen sprachen Jenes.
Wir wollten jubelnde und triumphirende Reden
über den Sieg der Thaumaturgie halten, und ehe
wir uns dessen versahen, schlugen sie in Klagelieder
um. Wir wollten lachen und mußten heiße,
schmerzhafte Thränen von den Wangen wischen.
Ein Geist, vielleicht mächtiger, als alle bisherigen
Poltergeister in und um Weinsberg ging durch das
Etablissement.

Frühmorgens sandte Eschenmichel seinen Brief
an den Beamten. Sehr bald kam eine Antwort
von diesem, worin er auf die allerverbindlichste
Weise seine Freude über die hergestellte Thätigkeit
der Wunder ausdruckte und meldete, daß er, um
allen Unterschleif zu vermeiden, sofort das Polizei-
archiv habe unter Siegel legen lassen. Er be-
stimmte die Stunde der Nachsuchung und schloß
damit, daß er, um dem ganzen Einhergange die
größtmögliche Offenkundigkeit und feierlichste Würde
zu geben, mehrere Honoratioren des Städtchens
und einige Fremde von Auszeichnung dazu einladen
lassen werde.

Eschenmichel mühte seinen Geist in Vermuthun-
gen ab, was das mystische Testament enthalten

Dieſes ſagen, und unſere Lippen ſprachen Jenes.
Wir wollten jubelnde und triumphirende Reden
über den Sieg der Thaumaturgie halten, und ehe
wir uns deſſen verſahen, ſchlugen ſie in Klagelieder
um. Wir wollten lachen und mußten heiße,
ſchmerzhafte Thränen von den Wangen wiſchen.
Ein Geiſt, vielleicht mächtiger, als alle bisherigen
Poltergeiſter in und um Weinsberg ging durch das
Etabliſſement.

Frühmorgens ſandte Eſchenmichel ſeinen Brief
an den Beamten. Sehr bald kam eine Antwort
von dieſem, worin er auf die allerverbindlichſte
Weiſe ſeine Freude über die hergeſtellte Thätigkeit
der Wunder ausdruckte und meldete, daß er, um
allen Unterſchleif zu vermeiden, ſofort das Polizei-
archiv habe unter Siegel legen laſſen. Er be-
ſtimmte die Stunde der Nachſuchung und ſchloß
damit, daß er, um dem ganzen Einhergange die
größtmögliche Offenkundigkeit und feierlichſte Würde
zu geben, mehrere Honoratioren des Städtchens
und einige Fremde von Auszeichnung dazu einladen
laſſen werde.

Eſchenmichel mühte ſeinen Geiſt in Vermuthun-
gen ab, was das myſtiſche Teſtament enthalten

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[328/0346] Dieſes ſagen, und unſere Lippen ſprachen Jenes. Wir wollten jubelnde und triumphirende Reden über den Sieg der Thaumaturgie halten, und ehe wir uns deſſen verſahen, ſchlugen ſie in Klagelieder um. Wir wollten lachen und mußten heiße, ſchmerzhafte Thränen von den Wangen wiſchen. Ein Geiſt, vielleicht mächtiger, als alle bisherigen Poltergeiſter in und um Weinsberg ging durch das Etabliſſement. Frühmorgens ſandte Eſchenmichel ſeinen Brief an den Beamten. Sehr bald kam eine Antwort von dieſem, worin er auf die allerverbindlichſte Weiſe ſeine Freude über die hergeſtellte Thätigkeit der Wunder ausdruckte und meldete, daß er, um allen Unterſchleif zu vermeiden, ſofort das Polizei- archiv habe unter Siegel legen laſſen. Er be- ſtimmte die Stunde der Nachſuchung und ſchloß damit, daß er, um dem ganzen Einhergange die größtmögliche Offenkundigkeit und feierlichſte Würde zu geben, mehrere Honoratioren des Städtchens und einige Fremde von Auszeichnung dazu einladen laſſen werde. Eſchenmichel mühte ſeinen Geiſt in Vermuthun- gen ab, was das myſtiſche Teſtament enthalten

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839, S. 328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839/346>, abgerufen am 23.11.2024.