Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

Farben klingen und die Töne leuchten, der Ner-
vengeist aber fließt wie eine große Brühe überall
umher. In einer so durcheinander geworfenen Na-
tur hält kein Element mehr Stich. Der Dämon
besitzt also gar kein sicheres Transportmittel mehr
zu seiner Beförderung, dazu rappelt es, rutscht es,
quietscht es ihm beständig vor seinen Augen von
andern Poltergeistern, so geräth er denn in Aerger,
wird in seinem Aerger wieder gottlos, und die
Vorsehung selbst kann an ihm ihr Exempel nicht
lösen.

Nach dieser meiner Rede in gutem Deutsch
blieben die beiden Thaumaturgen lange stumm,
ernsten Betrachtungen hingegeben. Engel hatte
sich gleich nach dem "Pöpöbelö" entfernt. Endlich
sagte Eschenmichel: So könnte es also dahin kom-
men, daß die Magie sich selbst aufhöbe. -- Thun
wir nicht besser, innezuhalten und die Sache bei
dem Bisherigen bewenden zu lassen?

Nein vorwärts! rief der Schneider. Vorwärts!
wiederholte Kernbeißer, der mit Eschenmichel die
Rolle getauscht zu haben schien und seit dem Ein-
greifen des Engels eben so kühn und leidenschaftlich
sich bezeigte, als er früher bedenklich gewesen war.


Farben klingen und die Töne leuchten, der Ner-
vengeiſt aber fließt wie eine große Brühe überall
umher. In einer ſo durcheinander geworfenen Na-
tur hält kein Element mehr Stich. Der Dämon
beſitzt alſo gar kein ſicheres Transportmittel mehr
zu ſeiner Beförderung, dazu rappelt es, rutſcht es,
quietſcht es ihm beſtändig vor ſeinen Augen von
andern Poltergeiſtern, ſo geräth er denn in Aerger,
wird in ſeinem Aerger wieder gottlos, und die
Vorſehung ſelbſt kann an ihm ihr Exempel nicht
löſen.

Nach dieſer meiner Rede in gutem Deutſch
blieben die beiden Thaumaturgen lange ſtumm,
ernſten Betrachtungen hingegeben. Engel hatte
ſich gleich nach dem „Pöpöbelö“ entfernt. Endlich
ſagte Eſchenmichel: So könnte es alſo dahin kom-
men, daß die Magie ſich ſelbſt aufhöbe. — Thun
wir nicht beſſer, innezuhalten und die Sache bei
dem Bisherigen bewenden zu laſſen?

Nein vorwärts! rief der Schneider. Vorwärts!
wiederholte Kernbeißer, der mit Eſchenmichel die
Rolle getauſcht zu haben ſchien und ſeit dem Ein-
greifen des Engels eben ſo kühn und leidenſchaftlich
ſich bezeigte, als er früher bedenklich geweſen war.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0332" n="314"/>
Farben klingen und die Töne leuchten, der Ner-<lb/>
vengei&#x017F;t aber fließt wie eine große Brühe überall<lb/>
umher. In einer &#x017F;o durcheinander geworfenen Na-<lb/>
tur hält kein Element mehr Stich. Der Dämon<lb/>
be&#x017F;itzt al&#x017F;o gar kein &#x017F;icheres Transportmittel mehr<lb/>
zu &#x017F;einer Beförderung, dazu rappelt es, rut&#x017F;cht es,<lb/>
quiet&#x017F;cht es ihm be&#x017F;tändig vor &#x017F;einen Augen von<lb/>
andern Poltergei&#x017F;tern, &#x017F;o geräth er denn in Aerger,<lb/>
wird in &#x017F;einem Aerger wieder gottlos, und die<lb/>
Vor&#x017F;ehung &#x017F;elb&#x017F;t kann an ihm ihr Exempel nicht<lb/>&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>Nach die&#x017F;er meiner Rede in gutem Deut&#x017F;ch<lb/>
blieben die beiden Thaumaturgen lange &#x017F;tumm,<lb/>
ern&#x017F;ten Betrachtungen hingegeben. Engel hatte<lb/>
&#x017F;ich gleich nach dem &#x201E;Pöpöbelö&#x201C; entfernt. Endlich<lb/>
&#x017F;agte E&#x017F;chenmichel: So könnte es al&#x017F;o dahin kom-<lb/>
men, daß die Magie &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t aufhöbe. &#x2014; Thun<lb/>
wir nicht be&#x017F;&#x017F;er, innezuhalten und die Sache bei<lb/>
dem Bisherigen bewenden zu la&#x017F;&#x017F;en?</p><lb/>
          <p>Nein vorwärts! rief der Schneider. Vorwärts!<lb/>
wiederholte Kernbeißer, der mit E&#x017F;chenmichel die<lb/>
Rolle getau&#x017F;cht zu haben &#x017F;chien und &#x017F;eit dem Ein-<lb/>
greifen des Engels eben &#x017F;o kühn und leiden&#x017F;chaftlich<lb/>
&#x017F;ich bezeigte, als er früher bedenklich gewe&#x017F;en war.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[314/0332] Farben klingen und die Töne leuchten, der Ner- vengeiſt aber fließt wie eine große Brühe überall umher. In einer ſo durcheinander geworfenen Na- tur hält kein Element mehr Stich. Der Dämon beſitzt alſo gar kein ſicheres Transportmittel mehr zu ſeiner Beförderung, dazu rappelt es, rutſcht es, quietſcht es ihm beſtändig vor ſeinen Augen von andern Poltergeiſtern, ſo geräth er denn in Aerger, wird in ſeinem Aerger wieder gottlos, und die Vorſehung ſelbſt kann an ihm ihr Exempel nicht löſen. Nach dieſer meiner Rede in gutem Deutſch blieben die beiden Thaumaturgen lange ſtumm, ernſten Betrachtungen hingegeben. Engel hatte ſich gleich nach dem „Pöpöbelö“ entfernt. Endlich ſagte Eſchenmichel: So könnte es alſo dahin kom- men, daß die Magie ſich ſelbſt aufhöbe. — Thun wir nicht beſſer, innezuhalten und die Sache bei dem Bisherigen bewenden zu laſſen? Nein vorwärts! rief der Schneider. Vorwärts! wiederholte Kernbeißer, der mit Eſchenmichel die Rolle getauſcht zu haben ſchien und ſeit dem Ein- greifen des Engels eben ſo kühn und leidenſchaftlich ſich bezeigte, als er früher bedenklich geweſen war.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839/332
Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839/332>, abgerufen am 28.11.2024.