wohin die Doppelnath. Aber es wird so viel von den Sachen gesprochen, und sie sollen hier überall in der Luft umherschweben, und wie leicht ist es da möglich, daß sich auch einmal Etwas auf eine arme Nätherin setzt, besonders wenn sie viel sich draußen aufhalten muß. Es kann Einen anfliegen, man weiß selbst nicht wie, besonders wenn man einen Vater gehabt hat, der nicht viel auf Gottes Wort hielt. Ich thue daher auch, wenn ich irgend Muße habe, in der Bibel lesen, um mich zu be- wahren. Hätte ich nur Geld und an einem andern Orte Arbeit zu gewärtigen, da reist' ich nach Reut- lingen zu meiner Baas' und zöge ganz weg aus der hiesigen Gegend.
Um die Zeit, da die Engbrüstige mir dieses Vertrauen schenkte, kam ich eines Tages zum ma- gischen Schneider in seinen Stall. Er war gerade nüchtern und saß auf dem Stroh emporgerichtet. Meister, sagte ich zu ihm, wäre es Euch wirklich so gar unmöglich, einmal mehrere Tage hindurch in der leeren Verfassung zu bleiben? -- Das heißt ohne Strich? fragte er. -- Ihr trefft meine Mei- nung, versetzte ich. -- Wenn es um das Himmel- reich ginge, wollte ich versuchen, mich zu zwingen,
18*
wohin die Doppelnath. Aber es wird ſo viel von den Sachen geſprochen, und ſie ſollen hier überall in der Luft umherſchweben, und wie leicht iſt es da möglich, daß ſich auch einmal Etwas auf eine arme Nätherin ſetzt, beſonders wenn ſie viel ſich draußen aufhalten muß. Es kann Einen anfliegen, man weiß ſelbſt nicht wie, beſonders wenn man einen Vater gehabt hat, der nicht viel auf Gottes Wort hielt. Ich thue daher auch, wenn ich irgend Muße habe, in der Bibel leſen, um mich zu be- wahren. Hätte ich nur Geld und an einem andern Orte Arbeit zu gewärtigen, da reiſt’ ich nach Reut- lingen zu meiner Baaſ’ und zöge ganz weg aus der hieſigen Gegend.
Um die Zeit, da die Engbrüſtige mir dieſes Vertrauen ſchenkte, kam ich eines Tages zum ma- giſchen Schneider in ſeinen Stall. Er war gerade nüchtern und ſaß auf dem Stroh emporgerichtet. Meiſter, ſagte ich zu ihm, wäre es Euch wirklich ſo gar unmöglich, einmal mehrere Tage hindurch in der leeren Verfaſſung zu bleiben? — Das heißt ohne Strich? fragte er. — Ihr trefft meine Mei- nung, verſetzte ich. — Wenn es um das Himmel- reich ginge, wollte ich verſuchen, mich zu zwingen,
18*
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0293"n="275"/>
wohin die Doppelnath. Aber es wird ſo viel von<lb/>
den Sachen geſprochen, und ſie ſollen hier überall<lb/>
in der Luft umherſchweben, und wie leicht iſt es<lb/>
da möglich, daß ſich auch einmal Etwas auf eine<lb/>
arme Nätherin ſetzt, beſonders wenn ſie viel ſich<lb/>
draußen aufhalten muß. Es kann Einen anfliegen,<lb/>
man weiß ſelbſt nicht wie, beſonders wenn man<lb/>
einen Vater gehabt hat, der nicht viel auf Gottes<lb/>
Wort hielt. Ich thue daher auch, wenn ich irgend<lb/>
Muße habe, in der Bibel leſen, um mich zu be-<lb/>
wahren. Hätte ich nur Geld und an einem andern<lb/>
Orte Arbeit zu gewärtigen, da reiſt’ ich nach Reut-<lb/>
lingen zu meiner Baaſ’ und zöge ganz weg aus<lb/>
der hieſigen Gegend.</p><lb/><p>Um die Zeit, da die Engbrüſtige mir dieſes<lb/>
Vertrauen ſchenkte, kam ich eines Tages zum ma-<lb/>
giſchen Schneider in ſeinen Stall. Er war gerade<lb/>
nüchtern und ſaß auf dem Stroh emporgerichtet.<lb/>
Meiſter, ſagte ich zu ihm, wäre es Euch wirklich<lb/>ſo gar unmöglich, einmal mehrere Tage hindurch<lb/>
in der leeren Verfaſſung zu bleiben? — Das heißt<lb/>
ohne Strich? fragte er. — Ihr trefft meine Mei-<lb/>
nung, verſetzte ich. — Wenn es um das Himmel-<lb/>
reich ginge, wollte ich verſuchen, mich zu zwingen,<lb/><fwplace="bottom"type="sig">18*</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[275/0293]
wohin die Doppelnath. Aber es wird ſo viel von
den Sachen geſprochen, und ſie ſollen hier überall
in der Luft umherſchweben, und wie leicht iſt es
da möglich, daß ſich auch einmal Etwas auf eine
arme Nätherin ſetzt, beſonders wenn ſie viel ſich
draußen aufhalten muß. Es kann Einen anfliegen,
man weiß ſelbſt nicht wie, beſonders wenn man
einen Vater gehabt hat, der nicht viel auf Gottes
Wort hielt. Ich thue daher auch, wenn ich irgend
Muße habe, in der Bibel leſen, um mich zu be-
wahren. Hätte ich nur Geld und an einem andern
Orte Arbeit zu gewärtigen, da reiſt’ ich nach Reut-
lingen zu meiner Baaſ’ und zöge ganz weg aus
der hieſigen Gegend.
Um die Zeit, da die Engbrüſtige mir dieſes
Vertrauen ſchenkte, kam ich eines Tages zum ma-
giſchen Schneider in ſeinen Stall. Er war gerade
nüchtern und ſaß auf dem Stroh emporgerichtet.
Meiſter, ſagte ich zu ihm, wäre es Euch wirklich
ſo gar unmöglich, einmal mehrere Tage hindurch
in der leeren Verfaſſung zu bleiben? — Das heißt
ohne Strich? fragte er. — Ihr trefft meine Mei-
nung, verſetzte ich. — Wenn es um das Himmel-
reich ginge, wollte ich verſuchen, mich zu zwingen,
18*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839/293>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.