Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

-- Wie? Natürlich? -- Es ist unrecht von Euch,
Schulmeister, wiederhole ich. Konntet Ihr nicht
bleiben, was Ihr wart? Warum wollt Ihr nun
fortlaufen? Wir lebten hier so einträchtiglich zu-
sammen, man hatte sich an einander gewöhnt, Eines
lehnte sich an das Andere; nun kommt ein Riß in
den schönen Kreis.

Wenn etwas meine Freude über mich und mein
hergestelltes Selbst zu trüben vermag, so ist es
das Gefühl, Sie verlassen zu müssen, antwortete
der Schulmeister. -- Gnädiger Herr, ich kann nicht
dafür, daß ich meinen Verstand wieder bekommen
habe. Mangel an Anerkennung ist daran Schuld.
Ich bin nie unter Ihnen anerkannt worden. Gleich
zu Anfang, als ich die Ehre hatte, bei Ihnen zu
seyn, fand ich für meine Idee von spartanischer
Abstammung und Lebensweise weder bei Ihnen noch
bei dem gnädigen Fräulein Anklang oder Widerspruch,
sondern man ließ mich und meinen Wurm gehen,
als völlig unschädlich und keiner Beachtung würdig.
Diese Kälte steigerte sich aber zur verletzendsten
Gleichgültigkeit, als der Freiherr von Münchhausen,
welchen Gott Ihnen gesegnen möge, Gast des
Schlosses Schnick-Schnack-Schnurr wurde. Während

— Wie? Natürlich? — Es iſt unrecht von Euch,
Schulmeiſter, wiederhole ich. Konntet Ihr nicht
bleiben, was Ihr wart? Warum wollt Ihr nun
fortlaufen? Wir lebten hier ſo einträchtiglich zu-
ſammen, man hatte ſich an einander gewöhnt, Eines
lehnte ſich an das Andere; nun kommt ein Riß in
den ſchönen Kreis.

Wenn etwas meine Freude über mich und mein
hergeſtelltes Selbſt zu trüben vermag, ſo iſt es
das Gefühl, Sie verlaſſen zu müſſen, antwortete
der Schulmeiſter. — Gnädiger Herr, ich kann nicht
dafür, daß ich meinen Verſtand wieder bekommen
habe. Mangel an Anerkennung iſt daran Schuld.
Ich bin nie unter Ihnen anerkannt worden. Gleich
zu Anfang, als ich die Ehre hatte, bei Ihnen zu
ſeyn, fand ich für meine Idee von ſpartaniſcher
Abſtammung und Lebensweiſe weder bei Ihnen noch
bei dem gnädigen Fräulein Anklang oder Widerſpruch,
ſondern man ließ mich und meinen Wurm gehen,
als völlig unſchädlich und keiner Beachtung würdig.
Dieſe Kälte ſteigerte ſich aber zur verletzendſten
Gleichgültigkeit, als der Freiherr von Münchhauſen,
welchen Gott Ihnen geſegnen möge, Gaſt des
Schloſſes Schnick-Schnack-Schnurr wurde. Während

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0242" n="224"/>
          <p>&#x2014; Wie? Natürlich? &#x2014; Es i&#x017F;t unrecht von Euch,<lb/>
Schulmei&#x017F;ter, wiederhole ich. Konntet Ihr nicht<lb/>
bleiben, was Ihr wart? Warum wollt Ihr nun<lb/>
fortlaufen? Wir lebten hier &#x017F;o einträchtiglich zu-<lb/>
&#x017F;ammen, man hatte &#x017F;ich an einander gewöhnt, Eines<lb/>
lehnte &#x017F;ich an das Andere; nun kommt ein Riß in<lb/>
den &#x017F;chönen Kreis.</p><lb/>
          <p>Wenn etwas meine Freude über mich und mein<lb/>
herge&#x017F;telltes Selb&#x017F;t zu trüben vermag, &#x017F;o i&#x017F;t es<lb/>
das Gefühl, Sie verla&#x017F;&#x017F;en zu mü&#x017F;&#x017F;en, antwortete<lb/>
der Schulmei&#x017F;ter. &#x2014; Gnädiger Herr, ich kann nicht<lb/>
dafür, daß ich meinen Ver&#x017F;tand wieder bekommen<lb/>
habe. Mangel an Anerkennung i&#x017F;t daran Schuld.<lb/>
Ich bin nie unter Ihnen anerkannt worden. Gleich<lb/>
zu Anfang, als ich die Ehre hatte, bei Ihnen zu<lb/>
&#x017F;eyn, fand ich für meine Idee von &#x017F;partani&#x017F;cher<lb/>
Ab&#x017F;tammung und Lebenswei&#x017F;e weder bei Ihnen noch<lb/>
bei dem gnädigen Fräulein Anklang oder Wider&#x017F;pruch,<lb/>
&#x017F;ondern man ließ mich und meinen Wurm gehen,<lb/>
als völlig un&#x017F;chädlich und keiner Beachtung würdig.<lb/>
Die&#x017F;e Kälte &#x017F;teigerte &#x017F;ich aber zur verletzend&#x017F;ten<lb/>
Gleichgültigkeit, als der Freiherr von Münchhau&#x017F;en,<lb/>
welchen Gott Ihnen ge&#x017F;egnen möge, Ga&#x017F;t des<lb/>
Schlo&#x017F;&#x017F;es Schnick-Schnack-Schnurr wurde. Während<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[224/0242] — Wie? Natürlich? — Es iſt unrecht von Euch, Schulmeiſter, wiederhole ich. Konntet Ihr nicht bleiben, was Ihr wart? Warum wollt Ihr nun fortlaufen? Wir lebten hier ſo einträchtiglich zu- ſammen, man hatte ſich an einander gewöhnt, Eines lehnte ſich an das Andere; nun kommt ein Riß in den ſchönen Kreis. Wenn etwas meine Freude über mich und mein hergeſtelltes Selbſt zu trüben vermag, ſo iſt es das Gefühl, Sie verlaſſen zu müſſen, antwortete der Schulmeiſter. — Gnädiger Herr, ich kann nicht dafür, daß ich meinen Verſtand wieder bekommen habe. Mangel an Anerkennung iſt daran Schuld. Ich bin nie unter Ihnen anerkannt worden. Gleich zu Anfang, als ich die Ehre hatte, bei Ihnen zu ſeyn, fand ich für meine Idee von ſpartaniſcher Abſtammung und Lebensweiſe weder bei Ihnen noch bei dem gnädigen Fräulein Anklang oder Widerſpruch, ſondern man ließ mich und meinen Wurm gehen, als völlig unſchädlich und keiner Beachtung würdig. Dieſe Kälte ſteigerte ſich aber zur verletzendſten Gleichgültigkeit, als der Freiherr von Münchhauſen, welchen Gott Ihnen geſegnen möge, Gaſt des Schloſſes Schnick-Schnack-Schnurr wurde. Während

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839/242
Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839/242>, abgerufen am 11.12.2024.