Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

stellte sie vor Münchhausen auf und sagte: Diese
sind meine Ahnen: Athelstan, Florestan und Nere-
stan von Schnuck-Puckelig. Athelstan war Gene-
ralfeldmarschall, Florestan Kanzler, Nerestan Ober-
ceremonienmeister. Kann ich es nun vor ihnen
verantworten, daß ich, als Edelmann von alter
Familie mich thätig bei einer Unternehmung be-
zeige, welche denn doch am Lichte besehen, keinen
andern Zweck hat als Handel und Wandel und
Geldprofit, und an welcher allerhand Leute geringer
Herkunft Theil nehmen werden, ja, der sogar ein
Bedienter als technischer Mitdirector vorstehen soll?
Leiden die Standesbegriffe nicht dabei, welche sonst
erheischten, daß der Adel keine Handelschaft und
kein Gewerbe treibe? Sieh, der Zweifel ist
mir in währender Verhandlung aufgestoßen.

Münchhausen versetzte, daß in gedachter Bezie-
hung der Adel mit der Zeit fortgeschritten sei, es
marchandire heut zu Tage Jedermann, Graf, Frei-
herr und Fürst, wie die geringste Krämerseele,
unbeschadet der Standesbegriffe. Der Stand sei
wie der geweihte Charakter der Priesterschaft ein
unauslöschlicher, ein Graf dürfe an der Börse wu-
chern und den Juden das Brod vor dem Munde

ſtellte ſie vor Münchhauſen auf und ſagte: Dieſe
ſind meine Ahnen: Athelſtan, Floreſtan und Nere-
ſtan von Schnuck-Puckelig. Athelſtan war Gene-
ralfeldmarſchall, Floreſtan Kanzler, Nereſtan Ober-
ceremonienmeiſter. Kann ich es nun vor ihnen
verantworten, daß ich, als Edelmann von alter
Familie mich thätig bei einer Unternehmung be-
zeige, welche denn doch am Lichte beſehen, keinen
andern Zweck hat als Handel und Wandel und
Geldprofit, und an welcher allerhand Leute geringer
Herkunft Theil nehmen werden, ja, der ſogar ein
Bedienter als techniſcher Mitdirector vorſtehen ſoll?
Leiden die Standesbegriffe nicht dabei, welche ſonſt
erheiſchten, daß der Adel keine Handelſchaft und
kein Gewerbe treibe? Sieh, der Zweifel iſt
mir in währender Verhandlung aufgeſtoßen.

Münchhauſen verſetzte, daß in gedachter Bezie-
hung der Adel mit der Zeit fortgeſchritten ſei, es
marchandire heut zu Tage Jedermann, Graf, Frei-
herr und Fürſt, wie die geringſte Krämerſeele,
unbeſchadet der Standesbegriffe. Der Stand ſei
wie der geweihte Charakter der Prieſterſchaft ein
unauslöſchlicher, ein Graf dürfe an der Börſe wu-
chern und den Juden das Brod vor dem Munde

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0119" n="101"/>
&#x017F;tellte &#x017F;ie vor Münchhau&#x017F;en auf und &#x017F;agte: Die&#x017F;e<lb/>
&#x017F;ind meine Ahnen: Athel&#x017F;tan, Flore&#x017F;tan und Nere-<lb/>
&#x017F;tan von Schnuck-Puckelig. Athel&#x017F;tan war Gene-<lb/>
ralfeldmar&#x017F;chall, Flore&#x017F;tan Kanzler, Nere&#x017F;tan Ober-<lb/>
ceremonienmei&#x017F;ter. Kann ich es nun vor ihnen<lb/>
verantworten, daß ich, als Edelmann von alter<lb/>
Familie mich thätig bei einer Unternehmung be-<lb/>
zeige, welche denn doch am Lichte be&#x017F;ehen, keinen<lb/>
andern Zweck hat als Handel und Wandel und<lb/>
Geldprofit, und an welcher allerhand Leute geringer<lb/>
Herkunft Theil nehmen werden, ja, der &#x017F;ogar ein<lb/>
Bedienter als techni&#x017F;cher Mitdirector vor&#x017F;tehen &#x017F;oll?<lb/>
Leiden die Standesbegriffe nicht dabei, welche &#x017F;on&#x017F;t<lb/>
erhei&#x017F;chten, daß der Adel keine Handel&#x017F;chaft und<lb/>
kein Gewerbe treibe? Sieh, <hi rendition="#g">der</hi> Zweifel i&#x017F;t<lb/>
mir in währender Verhandlung aufge&#x017F;toßen.</p><lb/>
            <p>Münchhau&#x017F;en ver&#x017F;etzte, daß in gedachter Bezie-<lb/>
hung der Adel mit der Zeit fortge&#x017F;chritten &#x017F;ei, es<lb/>
marchandire heut zu Tage Jedermann, Graf, Frei-<lb/>
herr und Für&#x017F;t, wie die gering&#x017F;te Krämer&#x017F;eele,<lb/>
unbe&#x017F;chadet der Standesbegriffe. Der Stand &#x017F;ei<lb/>
wie der geweihte Charakter der Prie&#x017F;ter&#x017F;chaft ein<lb/>
unauslö&#x017F;chlicher, ein Graf dürfe an der Bör&#x017F;e wu-<lb/>
chern und den Juden das Brod vor dem Munde<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[101/0119] ſtellte ſie vor Münchhauſen auf und ſagte: Dieſe ſind meine Ahnen: Athelſtan, Floreſtan und Nere- ſtan von Schnuck-Puckelig. Athelſtan war Gene- ralfeldmarſchall, Floreſtan Kanzler, Nereſtan Ober- ceremonienmeiſter. Kann ich es nun vor ihnen verantworten, daß ich, als Edelmann von alter Familie mich thätig bei einer Unternehmung be- zeige, welche denn doch am Lichte beſehen, keinen andern Zweck hat als Handel und Wandel und Geldprofit, und an welcher allerhand Leute geringer Herkunft Theil nehmen werden, ja, der ſogar ein Bedienter als techniſcher Mitdirector vorſtehen ſoll? Leiden die Standesbegriffe nicht dabei, welche ſonſt erheiſchten, daß der Adel keine Handelſchaft und kein Gewerbe treibe? Sieh, der Zweifel iſt mir in währender Verhandlung aufgeſtoßen. Münchhauſen verſetzte, daß in gedachter Bezie- hung der Adel mit der Zeit fortgeſchritten ſei, es marchandire heut zu Tage Jedermann, Graf, Frei- herr und Fürſt, wie die geringſte Krämerſeele, unbeſchadet der Standesbegriffe. Der Stand ſei wie der geweihte Charakter der Prieſterſchaft ein unauslöſchlicher, ein Graf dürfe an der Börſe wu- chern und den Juden das Brod vor dem Munde

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839/119
Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839/119>, abgerufen am 21.11.2024.