den Varus geschlagen? ein aufmerksames Ohr lieh. -- Der Jäger sah manches ihm Neue und würde von der ganzen Beschauung noch mehr Nutzen gehabt haben, wenn ihm sein Führer Muße gelassen hätte, die einzelnen Stücke genauer zu betrachten. Allein, sobald er einige Secunden lang bei einem verweilt hatte, riß ihn der Ungeduldige mit schreienden Worten zu einem andern hin, in der Besorgniß, daß irgend etwas übersehen bleiben möchte.
Er lebte, nach Sammlermanier, ganz einsam und nur seinen Seltenheiten hingegeben. Ein großer, schwarzer Kater, welcher ihm treu anhing, machte seine ganze Hausgenossenschaft aus. Dieser ging denn auch heute, wie es seine Gewohnheit war, ernsthaft durch die Zimmer hinter den beiden menschlichen Beobachtern, wie ein dritter Alterthums- freund einher.
Der Alte war eigentlich in Folge einer unglück- lichen Liebe Sammler geworden. In seiner Jugend hatte er einem schönen Mädchen sein Herz zuge- wandt, welche, zu früh elternlos, unter der Obhut oder vielmehr Nichtobhut eines schwachen, nach- lässigen Vormundes stand und bei ihrem Leichtsinn zu unabhängig war, um verständig bleiben zu können.
den Varus geſchlagen? ein aufmerkſames Ohr lieh. — Der Jäger ſah manches ihm Neue und würde von der ganzen Beſchauung noch mehr Nutzen gehabt haben, wenn ihm ſein Führer Muße gelaſſen hätte, die einzelnen Stücke genauer zu betrachten. Allein, ſobald er einige Secunden lang bei einem verweilt hatte, riß ihn der Ungeduldige mit ſchreienden Worten zu einem andern hin, in der Beſorgniß, daß irgend etwas überſehen bleiben möchte.
Er lebte, nach Sammlermanier, ganz einſam und nur ſeinen Seltenheiten hingegeben. Ein großer, ſchwarzer Kater, welcher ihm treu anhing, machte ſeine ganze Hausgenoſſenſchaft aus. Dieſer ging denn auch heute, wie es ſeine Gewohnheit war, ernſthaft durch die Zimmer hinter den beiden menſchlichen Beobachtern, wie ein dritter Alterthums- freund einher.
Der Alte war eigentlich in Folge einer unglück- lichen Liebe Sammler geworden. In ſeiner Jugend hatte er einem ſchönen Mädchen ſein Herz zuge- wandt, welche, zu früh elternlos, unter der Obhut oder vielmehr Nichtobhut eines ſchwachen, nach- läſſigen Vormundes ſtand und bei ihrem Leichtſinn zu unabhängig war, um verſtändig bleiben zu können.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0450"n="442"/>
den Varus geſchlagen? ein aufmerkſames Ohr lieh.<lb/>— Der Jäger ſah manches ihm Neue und würde<lb/>
von der ganzen Beſchauung noch mehr Nutzen gehabt<lb/>
haben, wenn ihm ſein Führer Muße gelaſſen hätte,<lb/>
die einzelnen Stücke genauer zu betrachten. Allein,<lb/>ſobald er einige Secunden lang bei einem verweilt<lb/>
hatte, riß ihn der Ungeduldige mit ſchreienden<lb/>
Worten zu einem andern hin, in der Beſorgniß,<lb/>
daß irgend etwas überſehen bleiben möchte.</p><lb/><p>Er lebte, nach Sammlermanier, ganz einſam<lb/>
und nur ſeinen Seltenheiten hingegeben. Ein<lb/>
großer, ſchwarzer Kater, welcher ihm treu anhing,<lb/>
machte ſeine ganze Hausgenoſſenſchaft aus. Dieſer<lb/>
ging denn auch heute, wie es ſeine Gewohnheit<lb/>
war, ernſthaft durch die Zimmer hinter den beiden<lb/>
menſchlichen Beobachtern, wie ein dritter Alterthums-<lb/>
freund einher.</p><lb/><p>Der Alte war eigentlich in Folge einer unglück-<lb/>
lichen Liebe Sammler geworden. In ſeiner Jugend<lb/>
hatte er einem ſchönen Mädchen ſein Herz zuge-<lb/>
wandt, welche, zu früh elternlos, unter der Obhut<lb/>
oder vielmehr Nichtobhut eines ſchwachen, nach-<lb/>
läſſigen Vormundes ſtand und bei ihrem Leichtſinn<lb/>
zu unabhängig war, um verſtändig bleiben zu können.<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[442/0450]
den Varus geſchlagen? ein aufmerkſames Ohr lieh.
— Der Jäger ſah manches ihm Neue und würde
von der ganzen Beſchauung noch mehr Nutzen gehabt
haben, wenn ihm ſein Führer Muße gelaſſen hätte,
die einzelnen Stücke genauer zu betrachten. Allein,
ſobald er einige Secunden lang bei einem verweilt
hatte, riß ihn der Ungeduldige mit ſchreienden
Worten zu einem andern hin, in der Beſorgniß,
daß irgend etwas überſehen bleiben möchte.
Er lebte, nach Sammlermanier, ganz einſam
und nur ſeinen Seltenheiten hingegeben. Ein
großer, ſchwarzer Kater, welcher ihm treu anhing,
machte ſeine ganze Hausgenoſſenſchaft aus. Dieſer
ging denn auch heute, wie es ſeine Gewohnheit
war, ernſthaft durch die Zimmer hinter den beiden
menſchlichen Beobachtern, wie ein dritter Alterthums-
freund einher.
Der Alte war eigentlich in Folge einer unglück-
lichen Liebe Sammler geworden. In ſeiner Jugend
hatte er einem ſchönen Mädchen ſein Herz zuge-
wandt, welche, zu früh elternlos, unter der Obhut
oder vielmehr Nichtobhut eines ſchwachen, nach-
läſſigen Vormundes ſtand und bei ihrem Leichtſinn
zu unabhängig war, um verſtändig bleiben zu können.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 442. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/450>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.