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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838.

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Ach, die Lehre kommt zu spät! rief der junge
Jäger lustig. Das Verstellen hilft mir nichts, ich
sehe es wohl ein, und wenn ich auch wie der Vo-
gel Strauß den Kopf wegstecke, man erblickt mich
dennoch. Verrathet mich aber nicht; ich habe
meine Gründe zu der Bitte, die Ihr mit gutem
Gewissen erfüllen könnt, denn ein Verbrechen habe
ich nicht begangen.

Nein, das soll wohl seyn, Sie sehen nicht danach
aus, sagte der Hofschulze lächelnd.

Jetzt nehmt von meiner Seite eine Lehre an.
Ihr seid ein alter, gesetzter Mann, dem mehr
daran liegen muß, seine Absichten für sich zu behal-
ten, als mir. Wenn Ihr Eure Geheimnisse, welche
Ihr zweifelsohne habt, vor mir und meinem Nach-
spüren bewahren wollt, so müßt Ihr meine Auf-
merksamkeit nicht selbst rege machen, müßt mir nicht
das Schwert Karls des Großen mit so feierlicher
dunkler Rede zeigen.

Der Hofschulze richtete sich in die Höhe. Seine
große Gestalt schien noch zu wachsen, und der Mond,
welcher inzwischen aufgegangen war, warf seinen
Schatten lang in den Hof. Er sagte mit tiefem
Tone und mit einem Nachdruck, der dem Andern

Ach, die Lehre kommt zu ſpät! rief der junge
Jäger luſtig. Das Verſtellen hilft mir nichts, ich
ſehe es wohl ein, und wenn ich auch wie der Vo-
gel Strauß den Kopf wegſtecke, man erblickt mich
dennoch. Verrathet mich aber nicht; ich habe
meine Gründe zu der Bitte, die Ihr mit gutem
Gewiſſen erfüllen könnt, denn ein Verbrechen habe
ich nicht begangen.

Nein, das ſoll wohl ſeyn, Sie ſehen nicht danach
aus, ſagte der Hofſchulze lächelnd.

Jetzt nehmt von meiner Seite eine Lehre an.
Ihr ſeid ein alter, geſetzter Mann, dem mehr
daran liegen muß, ſeine Abſichten für ſich zu behal-
ten, als mir. Wenn Ihr Eure Geheimniſſe, welche
Ihr zweifelsohne habt, vor mir und meinem Nach-
ſpüren bewahren wollt, ſo müßt Ihr meine Auf-
merkſamkeit nicht ſelbſt rege machen, müßt mir nicht
das Schwert Karls des Großen mit ſo feierlicher
dunkler Rede zeigen.

Der Hofſchulze richtete ſich in die Höhe. Seine
große Geſtalt ſchien noch zu wachſen, und der Mond,
welcher inzwiſchen aufgegangen war, warf ſeinen
Schatten lang in den Hof. Er ſagte mit tiefem
Tone und mit einem Nachdruck, der dem Andern

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[373/0381] Ach, die Lehre kommt zu ſpät! rief der junge Jäger luſtig. Das Verſtellen hilft mir nichts, ich ſehe es wohl ein, und wenn ich auch wie der Vo- gel Strauß den Kopf wegſtecke, man erblickt mich dennoch. Verrathet mich aber nicht; ich habe meine Gründe zu der Bitte, die Ihr mit gutem Gewiſſen erfüllen könnt, denn ein Verbrechen habe ich nicht begangen. Nein, das ſoll wohl ſeyn, Sie ſehen nicht danach aus, ſagte der Hofſchulze lächelnd. Jetzt nehmt von meiner Seite eine Lehre an. Ihr ſeid ein alter, geſetzter Mann, dem mehr daran liegen muß, ſeine Abſichten für ſich zu behal- ten, als mir. Wenn Ihr Eure Geheimniſſe, welche Ihr zweifelsohne habt, vor mir und meinem Nach- ſpüren bewahren wollt, ſo müßt Ihr meine Auf- merkſamkeit nicht ſelbſt rege machen, müßt mir nicht das Schwert Karls des Großen mit ſo feierlicher dunkler Rede zeigen. Der Hofſchulze richtete ſich in die Höhe. Seine große Geſtalt ſchien noch zu wachſen, und der Mond, welcher inzwiſchen aufgegangen war, warf ſeinen Schatten lang in den Hof. Er ſagte mit tiefem Tone und mit einem Nachdruck, der dem Andern

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 373. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/381>, abgerufen am 22.11.2024.