so daß das ganze Plaisir zu Grunde geht. Auf diese Weise habe ich es erlebt, daß durch so ein öffent- lich löffelndes Ehepaar lauter Zank und Hader in eine Gesellschaft kam, der immer mehr stieg, je mehr die Eheleute mit einander caressirten.
Dagegen ist es eine wahre Freude, bisweilen vernünftige junge Leute zu sehen, die bescheiden und anständig sich betragen; das Frauchen sitzt da, und der Mann da, Jedes discurirt höflich mit sei- nen Nachbarn, Keines scheint auf das Andere zu achten, von Handgeben und Küssen ist nun gar nicht die Rede, und doch sieht man den rothen, muntern Gesichtern an, daß sie zu Hause Glück und Segen mit einander haben; gleichsam zwei Aepfel sind sie an einem Zweige, die auch nicht nach einander umgucken und doch zusammen wachsen, gedeihen und reifen. Der Ehestand ist ein Segens- stand, aber er will mit Vernunft und Geschick und Manierlichkeit angegriffen seyn, sonst macht er, wie der Wein im Uebermaaß, trunken, dumm und unge- sund. Er ist wie der grüne Zweig am Apfelbaum; was darauf zum Gedeihen kommen soll, muß hübsch still und ruhig sich daran halten bei Sonnenschein und Regen.
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ſo daß das ganze Plaiſir zu Grunde geht. Auf dieſe Weiſe habe ich es erlebt, daß durch ſo ein öffent- lich löffelndes Ehepaar lauter Zank und Hader in eine Geſellſchaft kam, der immer mehr ſtieg, je mehr die Eheleute mit einander careſſirten.
Dagegen iſt es eine wahre Freude, bisweilen vernünftige junge Leute zu ſehen, die beſcheiden und anſtändig ſich betragen; das Frauchen ſitzt da, und der Mann da, Jedes discurirt höflich mit ſei- nen Nachbarn, Keines ſcheint auf das Andere zu achten, von Handgeben und Küſſen iſt nun gar nicht die Rede, und doch ſieht man den rothen, muntern Geſichtern an, daß ſie zu Hauſe Glück und Segen mit einander haben; gleichſam zwei Aepfel ſind ſie an einem Zweige, die auch nicht nach einander umgucken und doch zuſammen wachſen, gedeihen und reifen. Der Eheſtand iſt ein Segens- ſtand, aber er will mit Vernunft und Geſchick und Manierlichkeit angegriffen ſeyn, ſonſt macht er, wie der Wein im Uebermaaß, trunken, dumm und unge- ſund. Er iſt wie der grüne Zweig am Apfelbaum; was darauf zum Gedeihen kommen ſoll, muß hübſch ſtill und ruhig ſich daran halten bei Sonnenſchein und Regen.
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ſo daß das ganze Plaiſir zu Grunde geht. Auf
dieſe Weiſe habe ich es erlebt, daß durch ſo ein öffent-
lich löffelndes Ehepaar lauter Zank und Hader in
eine Geſellſchaft kam, der immer mehr ſtieg, je
mehr die Eheleute mit einander careſſirten.
Dagegen iſt es eine wahre Freude, bisweilen
vernünftige junge Leute zu ſehen, die beſcheiden
und anſtändig ſich betragen; das Frauchen ſitzt da,
und der Mann da, Jedes discurirt höflich mit ſei-
nen Nachbarn, Keines ſcheint auf das Andere zu
achten, von Handgeben und Küſſen iſt nun gar
nicht die Rede, und doch ſieht man den rothen,
muntern Geſichtern an, daß ſie zu Hauſe Glück
und Segen mit einander haben; gleichſam zwei
Aepfel ſind ſie an einem Zweige, die auch nicht
nach einander umgucken und doch zuſammen wachſen,
gedeihen und reifen. Der Eheſtand iſt ein Segens-
ſtand, aber er will mit Vernunft und Geſchick und
Manierlichkeit angegriffen ſeyn, ſonſt macht er, wie
der Wein im Uebermaaß, trunken, dumm und unge-
ſund. Er iſt wie der grüne Zweig am Apfelbaum;
was darauf zum Gedeihen kommen ſoll, muß hübſch
ſtill und ruhig ſich daran halten bei Sonnenſchein
und Regen.
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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 371. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/379>, abgerufen am 22.11.2024.
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