Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838.

Bild:
<< vorherige Seite

seine Felder hinauf erstreckten, so erblickte man von dort
die Thürme dreier der ältesten Städte Westphalens.

Es ging zu der Zeit, von welcher ich rede,
auf Eilf Uhr Vormittags, und der ganze weit-
läufige Hof war so still, daß sich fast nur das
Rauschen der Lüfte in den Baumwipfeln des Kamps
vernehmen ließ. Der Schulze maaß dem Knechte
Hafer zu, womit dieser, den Sack über der Schul-
ter, langsamen Schrittes nach dem Pferdestalle ging,
die Tochter zählte in der Linnen- und Garnkam-
mer ihre Ausstattung nach, eine Magd besorgte die
Küche. Was sonst von Menschen im Hofe lebte,
lag und schlief, denn es ging gegen die Ernte, in
welcher Zeit es bei den Bauern am wenigsten zu
thun giebt, und die Arbeiter jede Minute zu benut-
zen pflegen, um gewissermaßen auf Rechnung der
herannahenden schweiß- und mühevollen Tage in
voraus zu schlafen. Ueberhaupt können die Land-
leute, wie die Hunde, zu allen Stunden bei Tage
und bei Nacht schlafen, wann sie wollen.



ſeine Felder hinauf erſtreckten, ſo erblickte man von dort
die Thürme dreier der älteſten Städte Weſtphalens.

Es ging zu der Zeit, von welcher ich rede,
auf Eilf Uhr Vormittags, und der ganze weit-
läufige Hof war ſo ſtill, daß ſich faſt nur das
Rauſchen der Lüfte in den Baumwipfeln des Kamps
vernehmen ließ. Der Schulze maaß dem Knechte
Hafer zu, womit dieſer, den Sack über der Schul-
ter, langſamen Schrittes nach dem Pferdeſtalle ging,
die Tochter zählte in der Linnen- und Garnkam-
mer ihre Ausſtattung nach, eine Magd beſorgte die
Küche. Was ſonſt von Menſchen im Hofe lebte,
lag und ſchlief, denn es ging gegen die Ernte, in
welcher Zeit es bei den Bauern am wenigſten zu
thun giebt, und die Arbeiter jede Minute zu benut-
zen pflegen, um gewiſſermaßen auf Rechnung der
herannahenden ſchweiß- und mühevollen Tage in
voraus zu ſchlafen. Ueberhaupt können die Land-
leute, wie die Hunde, zu allen Stunden bei Tage
und bei Nacht ſchlafen, wann ſie wollen.



<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0306" n="298"/>
&#x017F;eine Felder hinauf er&#x017F;treckten, &#x017F;o erblickte man von dort<lb/>
die Thürme dreier der älte&#x017F;ten Städte We&#x017F;tphalens.</p><lb/>
          <p>Es ging zu der Zeit, von welcher ich rede,<lb/>
auf Eilf Uhr Vormittags, und der ganze weit-<lb/>
läufige Hof war &#x017F;o &#x017F;till, daß &#x017F;ich fa&#x017F;t nur das<lb/>
Rau&#x017F;chen der Lüfte in den Baumwipfeln des Kamps<lb/>
vernehmen ließ. Der Schulze maaß dem Knechte<lb/>
Hafer zu, womit die&#x017F;er, den Sack über der Schul-<lb/>
ter, lang&#x017F;amen Schrittes nach dem Pferde&#x017F;talle ging,<lb/>
die Tochter zählte in der Linnen- und Garnkam-<lb/>
mer ihre Aus&#x017F;tattung nach, eine Magd be&#x017F;orgte die<lb/>
Küche. Was &#x017F;on&#x017F;t von Men&#x017F;chen im Hofe lebte,<lb/>
lag und &#x017F;chlief, denn es ging gegen die Ernte, in<lb/>
welcher Zeit es bei den Bauern am wenig&#x017F;ten zu<lb/>
thun giebt, und die Arbeiter jede Minute zu benut-<lb/>
zen pflegen, um gewi&#x017F;&#x017F;ermaßen auf Rechnung der<lb/>
herannahenden &#x017F;chweiß- und mühevollen Tage in<lb/>
voraus zu &#x017F;chlafen. Ueberhaupt können die Land-<lb/>
leute, wie die Hunde, zu allen Stunden bei Tage<lb/>
und bei Nacht &#x017F;chlafen, wann &#x017F;ie wollen.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[298/0306] ſeine Felder hinauf erſtreckten, ſo erblickte man von dort die Thürme dreier der älteſten Städte Weſtphalens. Es ging zu der Zeit, von welcher ich rede, auf Eilf Uhr Vormittags, und der ganze weit- läufige Hof war ſo ſtill, daß ſich faſt nur das Rauſchen der Lüfte in den Baumwipfeln des Kamps vernehmen ließ. Der Schulze maaß dem Knechte Hafer zu, womit dieſer, den Sack über der Schul- ter, langſamen Schrittes nach dem Pferdeſtalle ging, die Tochter zählte in der Linnen- und Garnkam- mer ihre Ausſtattung nach, eine Magd beſorgte die Küche. Was ſonſt von Menſchen im Hofe lebte, lag und ſchlief, denn es ging gegen die Ernte, in welcher Zeit es bei den Bauern am wenigſten zu thun giebt, und die Arbeiter jede Minute zu benut- zen pflegen, um gewiſſermaßen auf Rechnung der herannahenden ſchweiß- und mühevollen Tage in voraus zu ſchlafen. Ueberhaupt können die Land- leute, wie die Hunde, zu allen Stunden bei Tage und bei Nacht ſchlafen, wann ſie wollen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/306
Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/306>, abgerufen am 22.11.2024.