Dann wäre Germanien wahrhaft restaurirt! schloß der Gast mit Emphase.
Aber um der Götter willen, rief ein hagrer Mann, welcher während dieser Gespräche einge- treten war, wir erfahren ja noch immer das Wort der Wahrheit nicht, wodurch Ihr Ahnherr dreihundert Menschen vom Leben zum Tode brachte!
Der Freiherr sah auf seine Uhr, und sagte mit dem Tone geistiger Ueberlegenheit, welcher ihm eigen war: Es möchte dazu heute zu spät seyn. Auf morgen also, wenn Sie vergönnen. Er stand auf, nahm eine Kerze, und verließ, Allen eine gute Nacht wünschend, das Zimmer.
Warum fielt Ihr ihm in die Rede, Schul- meister? sagte der alte Baron verdrießlich zu dem Hagern. Einen solchen Mann, mit einem so Welt- umfassenden Gesichtskreise muß man nie im Flusse der Worte stören, es kommt immer dabei etwas zum Vorschein, was unterhält und belehrt, und am Ende wären wir doch wohl noch zu dem Worte der Wahrheit seines Ahnherrn gediehen, wenn Ihr ihn nicht unterbrochen hättet.
Schelten Sie mich nicht, mein Gönner, um diesen Freiherrn von Münchhausen, der uns da so
Dann wäre Germanien wahrhaft reſtaurirt! ſchloß der Gaſt mit Emphaſe.
Aber um der Götter willen, rief ein hagrer Mann, welcher während dieſer Geſpräche einge- treten war, wir erfahren ja noch immer das Wort der Wahrheit nicht, wodurch Ihr Ahnherr dreihundert Menſchen vom Leben zum Tode brachte!
Der Freiherr ſah auf ſeine Uhr, und ſagte mit dem Tone geiſtiger Ueberlegenheit, welcher ihm eigen war: Es möchte dazu heute zu ſpät ſeyn. Auf morgen alſo, wenn Sie vergönnen. Er ſtand auf, nahm eine Kerze, und verließ, Allen eine gute Nacht wünſchend, das Zimmer.
Warum fielt Ihr ihm in die Rede, Schul- meiſter? ſagte der alte Baron verdrießlich zu dem Hagern. Einen ſolchen Mann, mit einem ſo Welt- umfaſſenden Geſichtskreiſe muß man nie im Fluſſe der Worte ſtören, es kommt immer dabei etwas zum Vorſchein, was unterhält und belehrt, und am Ende wären wir doch wohl noch zu dem Worte der Wahrheit ſeines Ahnherrn gediehen, wenn Ihr ihn nicht unterbrochen hättet.
Schelten Sie mich nicht, mein Gönner, um dieſen Freiherrn von Münchhauſen, der uns da ſo
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Dann wäre Germanien wahrhaft reſtaurirt!
ſchloß der Gaſt mit Emphaſe.
Aber um der Götter willen, rief ein hagrer
Mann, welcher während dieſer Geſpräche einge-
treten war, wir erfahren ja noch immer das
Wort der Wahrheit nicht, wodurch Ihr Ahnherr
dreihundert Menſchen vom Leben zum Tode brachte!
Der Freiherr ſah auf ſeine Uhr, und ſagte
mit dem Tone geiſtiger Ueberlegenheit, welcher
ihm eigen war: Es möchte dazu heute zu ſpät
ſeyn. Auf morgen alſo, wenn Sie vergönnen. Er
ſtand auf, nahm eine Kerze, und verließ, Allen
eine gute Nacht wünſchend, das Zimmer.
Warum fielt Ihr ihm in die Rede, Schul-
meiſter? ſagte der alte Baron verdrießlich zu dem
Hagern. Einen ſolchen Mann, mit einem ſo Welt-
umfaſſenden Geſichtskreiſe muß man nie im Fluſſe
der Worte ſtören, es kommt immer dabei etwas
zum Vorſchein, was unterhält und belehrt, und
am Ende wären wir doch wohl noch zu dem
Worte der Wahrheit ſeines Ahnherrn gediehen,
wenn Ihr ihn nicht unterbrochen hättet.
Schelten Sie mich nicht, mein Gönner, um
dieſen Freiherrn von Münchhauſen, der uns da ſo
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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/20>, abgerufen am 18.12.2024.
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