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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838.

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Woche nach der Andern, einen Monat nach dem
Andern, und sich das ohne Resultate fortsetzte,
diejenigen, welche lesen gelernt hatten, die Schule
verließen, und frische Rangen, die noch nichts wuß-
ten, wieder hineinkamen, und immer, immerdar
wieder von vorn dasselbe angefangen werden
mußte, da konnte mir das ganze Leben zuletzt völ-
lig dünn und unzusammenhangend vorkommen, und
es gab Nächte, worin mir träumte, das menschliche
Daseyn sei nur ein langes, leeres A B C, von
dem die Buchstaben X Y Z in der Ewigkeit
ständen, und aus welchem nie ein verständiger
Satz, ja nur ein sinnvolles Wort würde.
Wollte ich mir dann zu meinem Troste sagen, ich
sei eben nur ein armer Dorfschulmeister, die Trübe
dieser Meinung entspringe aus meiner gedrückten
Lage, und glücklichere Menschen, wie hohe Obrig-
keiten oder gar durchlauchtige Potentaten seien
wohl in dem Falle, ihrer Existenz einen Zusam-
menhang zu geben, so war die Beschwichtigung
doch nicht lange stichhaltend. Denn ich mußte
erwägen, daß das Regieren über Land und Leute
doch auch nur so ein ödes, langwieriges Buchsta-
biren sei, und daß, wenn man es an irgend einem

Immermann's Münchhausen. 1. Th. 11

Woche nach der Andern, einen Monat nach dem
Andern, und ſich das ohne Reſultate fortſetzte,
diejenigen, welche leſen gelernt hatten, die Schule
verließen, und friſche Rangen, die noch nichts wuß-
ten, wieder hineinkamen, und immer, immerdar
wieder von vorn daſſelbe angefangen werden
mußte, da konnte mir das ganze Leben zuletzt völ-
lig dünn und unzuſammenhangend vorkommen, und
es gab Nächte, worin mir träumte, das menſchliche
Daſeyn ſei nur ein langes, leeres A B C, von
dem die Buchſtaben X Y Z in der Ewigkeit
ſtänden, und aus welchem nie ein verſtändiger
Satz, ja nur ein ſinnvolles Wort würde.
Wollte ich mir dann zu meinem Troſte ſagen, ich
ſei eben nur ein armer Dorfſchulmeiſter, die Trübe
dieſer Meinung entſpringe aus meiner gedrückten
Lage, und glücklichere Menſchen, wie hohe Obrig-
keiten oder gar durchlauchtige Potentaten ſeien
wohl in dem Falle, ihrer Exiſtenz einen Zuſam-
menhang zu geben, ſo war die Beſchwichtigung
doch nicht lange ſtichhaltend. Denn ich mußte
erwägen, daß das Regieren über Land und Leute
doch auch nur ſo ein ödes, langwieriges Buchſta-
biren ſei, und daß, wenn man es an irgend einem

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[161/0169] Woche nach der Andern, einen Monat nach dem Andern, und ſich das ohne Reſultate fortſetzte, diejenigen, welche leſen gelernt hatten, die Schule verließen, und friſche Rangen, die noch nichts wuß- ten, wieder hineinkamen, und immer, immerdar wieder von vorn daſſelbe angefangen werden mußte, da konnte mir das ganze Leben zuletzt völ- lig dünn und unzuſammenhangend vorkommen, und es gab Nächte, worin mir träumte, das menſchliche Daſeyn ſei nur ein langes, leeres A B C, von dem die Buchſtaben X Y Z in der Ewigkeit ſtänden, und aus welchem nie ein verſtändiger Satz, ja nur ein ſinnvolles Wort würde. Wollte ich mir dann zu meinem Troſte ſagen, ich ſei eben nur ein armer Dorfſchulmeiſter, die Trübe dieſer Meinung entſpringe aus meiner gedrückten Lage, und glücklichere Menſchen, wie hohe Obrig- keiten oder gar durchlauchtige Potentaten ſeien wohl in dem Falle, ihrer Exiſtenz einen Zuſam- menhang zu geben, ſo war die Beſchwichtigung doch nicht lange ſtichhaltend. Denn ich mußte erwägen, daß das Regieren über Land und Leute doch auch nur ſo ein ödes, langwieriges Buchſta- biren ſei, und daß, wenn man es an irgend einem Immermann’s Münchhauſen. 1. Th. 11

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/169>, abgerufen am 24.11.2024.